Öffentliche Exekutionen in Ruanda

■ Morgen sollen in einem Stadion die ersten Todesurteile vollstreckt werden, um die Bürger vom Funktionieren der Justiz zu überzeugen

Berlin (taz) – In Ruanda sollen am Freitag 33 Menschen hingerichtet werden, die wegen Beteiligung am Völkermord zum Tode verurteilt worden sind. Die öffentlichen Erschießungen sollen unter anderem in einem Stadion in der Hauptstadt Kigali stattfinden.

„Dies wird den Leuten zeigen, daß die Justiz funktioniert“, sagte Justizminister Faustin Ntezilyayo gestern. In Ruandas Gefängnissen sitzen etwa 130.000 Menschen unter Verdacht der Beteiligung am Völkermord, bei dem 1994 über 800.000 Menschen starben, hauptsächlich Angehörige der Tutsi- Minderheit. Laut Ruandas Völkermordgesetz vom August 1996 müssen „Planer, Organisatoren, Anstifter, Überwacher und Ausbilder des Völkermords“ sowie verantwortliche Amtsträger, „besonders berüchtigte“ Mörder und der „sexuellen Folter“ Beschuldigte mit der Todesstrafe rechnen. Zu dieser „ersten Kategorie“ von Beschuldigten gehören schätzungsweise 2.000 Personen.

Die Völkermordprozesse in Ruanda begannen Ende 1996. Etwa 330 Menschen standen bisher vor Gericht, 116 wurden zum Tode verurteilt. Die 33, deren Hinrichtung jetzt ansteht, sind die ersten, deren Berufung scheiterte und deren Begnadigung vom Staatspräsidenten abgelehnt worden ist. Ihre Identität ist nicht bekannt, aber Beobachter vermuten, daß die beiden prominentesten Verurteilten dazugehören: Froduald Karamira, ein ehemaliger Parteiführer, der während des Völkermordes Aufrufe zum Massaker über Rundfunk verbreitete, und Silas Munyakishere, ein ehemaliger Staatsanwalt.

Daß in Ruanda hingerichtet werden soll, überrascht nicht. „Der ruandische Kontext, in dem seit Jahrzehnten Straflosigkeit herrscht, verlangt, daß Todesurteile auch ausgeführt werden, damit die Ruander verstehen, daß ein Menschenleben nicht mit Füßen getreten werden darf“, sagte unlängst Simeon Rwagasore, Präsident des Obersten Gerichts. Neu ist jedoch die Öffentlichkeit der Hinrichtungen. Im Mai 1997 legte die Regierung fest, daß Hinrichtungen ohne Publikum innerhalb eines Gefängnisareals vollzogen werden sollten. Dieser Beschluß wurde jetzt vom Kabinett gekippt. Der Staatsrundfunk sagte, die Bevölkerung solle sich damit „mit eigenen Augen“ vom Tod der Hingerichteten überzeugen.

Justizminister Ntezilyayo sagte gestern, er hoffe, die Hinrichtungen würden „die Anfänge von Racheangriffen“ von Völkermordüberlebenden abwehren. Deren Verbände fordern seit langem ein schärferes Vorgehen gegen Völkermordtäter. Nach Ansicht des ehemaligen ruandischen Premierministers Faustin Twagiramungu sollen die Hinrichtungen „Extremisten unter den Überlebenden beruhigen“. Doch zugleich könnten die Hinrichtungen den Gegnern der Regierung Märtyrer liefern. „Die Hinrichtungen sind kein Weg, das ruandische Volk zu versöhnen oder den Krieg zu stoppen“, meint Twagiramungu.

Der ehemalige Premier, der die Todesstrafe ansonsten befürwortet, weist auch darauf hin, daß „diejenigen, die den Völkermord planten, weiter im Ausland leben und man nur die Mitläufer verurteilt hat“. Denn die wichtigsten Drahtzieher des Völkermordes, denen vor einem UN-Tribunal der Prozeß gemacht wird, müssen nicht mit der Todesstrafe rechnen. Da zudem Ruandas Justiz hoffnungslos überlastet ist, fordern ausländische Beobachter wie der EU-Sonderbeauftragte Aldo Ajello eine Amnestie für die „kleinen Täter“, die die große Mehrheit der 130.000 Gefangenen in Ruanda ausmachen. Aber vielleicht müssen erst einige prominente Häftlinge sterben, damit Ruandas Regierung sich zu einem solchen Schritt in der Lage sieht. Dominic Johnson