„Ich bin Trainer, kein Polizist“

■ Der THW Kiel gewinnt mit 26:21 über Flensburg seinen ersten internationalen Handball-Titel

Niemandem war so richtig zum Feiern zumute. Die Dixieland-Kapelle im Foyer tötete den letzten Rest von Atmosphäre, der sich noch über den Schlußpfiff hinaus gerettet hatte. Zügig gingen die Zuschauer auseinander, wollte sich doch die Mannschaft nicht mehr hochleben lassen.

Gerade hatte der THW Kiel Titelverteidiger SG Flensburg-Handewitt im Rückspiel des Finales um den EHF-Pokal mit 26:21 geschlagen und damit erstmals einen europäischen Titel gewonnen. Dennoch wollte die rechte Freude nicht aufkommen. „Ich bin zwar Trainer und kein Polizist“, erklärte Trainer Zvonimir Serdarusic die Abstinenz seiner Spieler, „aber die Jungs wissen, worum es geht.“Alle wissen, was der Coach von seinem Team fordert: „Das wichtigste, was ich in diesem Jahr haben will, habe ich immer noch nicht. Wir sind noch lange nicht Meister.“

Der THW Kiel möchte das Triple. Nach dem Gewinn des Pokals des Deutschen Handballbunds und des EHF-Pokals fehlt noch der nationale Titel. Damit würde Kiel in der Reihe der großen deutschen Handball-Mannschaften endgültig einen Ehrenplatz einnehmen. Die Chancen dafür stehen gut: Drei Spiele vor Ende der Saison führen die Kieler die Tabelle mit drei Punkten Vorsprung an. Noch zwei Siege, und das Ziel ist erreicht.

Bei den Verlierern vom Mittwochabend war dagegen Katzenjammer angesagt. „Wir waren nicht stark genug“, erkannte Flensburgs Trainer Anders Dahl-Nielsen die Klasse der Nachbarn an, „vor allem die Abwehr der Kieler konnten wir heute nicht knacken.“So war das Regionalderby eigentlich schon zur Halbzeit entschieden. Die Kieler hatten die Hinspiel-Niederlage von 23:25 mit einem Sieben-Tore-Vorsprung schon mehr als egalisiert. In der zweiten Halbzeit ließen sie es etwas ruhiger angehen, gerieten aber nie in Gefahr, den Sieg noch abzugeben.

Besonders bitter ist für die Flensburger, daß sie nächstes Jahr wohl nicht mehr international mitspielen dürfen. In der Bundesliga haben sie kaum noch Chancen, wieder in die EHF-Pokal-Ränge zu kommen, während sie als erneuter Titelverteidiger automatisch für diesen Wettbewerb qualifiziert gewesen wären. Dennoch zog Dahl-Nielsen, der Flensburg zum Saisonende verlassen wird, eine positive Bilanz seiner Arbeit. Er habe einen kleinen Verein zu einer Größe im deutschen Handball gemacht. Aber auch ihm ist klar: „Der THW Kiel ist immer noch einen Kopf größer.“

Der Trainer, den er vor fünfeinhalb Jahren bei dem „kleinen Verein“ablöste, hieß – Zvonimir Serdarusic. Diesen kleinen Seitenhieb konnte sich Dahl-Nielsen nicht verkneifen, spielte er damit doch auch auf die schwelende Rivalität zwischen den beiden schleswig-hol-steinischen Klubs an. Immerhin kam es am Mittwoch nicht wieder zu so brutalen Szenen wie im Hinspiel. „Das Wichtigste war, daß diesmal alles fair über die Bühne ging“, freute sich auch THW-Manager Uwe Schwenker. Er hatte, zusammen mit seinen Funktionärskollegen, schon im Vorfeld des Matches dafür gesorgt, die Stimmung in den Mannschaften und unter den Zuschauern ein wenig abzukühlen.

So war letztlich niemand richtig böse, daß die große Sause nach dem Abpfiff ausfiel, schließlich hat der THW Kiel die Planung für die Abschlußfeierlichkeiten schon längst in Angriff genommen. Am 9. Mai soll die Triple-Fete steigen. Für 98 Mark gibt es dann freien Ausschank an der Förde. Spätestens dann werden auch die Spieler gehörig mittrinken. Steht nur zu befürchten, daß auch die Dixieland-Band wieder dabei ist.

Peter Strempel/Eberhard Spohd