Hauptsache unter vierzig

■ Acht AutorInnen und ein Netzwerk bei der 2. Langen Nacht der jungen Dramatiker

Marius von Mayenburg spricht deutlich: Das Regietheater, so der 26jährige, ist am Ende. Für ihn, dessen erstes großes Stück Feuergesicht den Kleist-Förderpreis für junge Dramatik erhielt und das nun gleich in München, Frankfurt/Oder, Wien und Hamburg aufgeführt werden soll, ist „Theater, das Geschichten erzählt, wieder enorm wichtig“. Simone Schneider, 36, deren Stück Malaria im März im Malersaal uraufgeführt wurde, bezeichnet das Regietheater als ein „Kontext-Theater“: Das Publikum müsse den Kontext mit der Interpretation immer mitgeliefert bekommen. Wo es ihn nicht bekomme, da werde es aus dem Theater herausgetrieben.

Als im vergangenen Jahr in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift Theater der Zeit die 1. Lange Nacht der jungen Dramatiker in der Kantine des Schauspielhauses stattfand, merkten die Autoren, daß sie sich mehr zu sagen haben, als an einem Abend zu formulieren war, und gründeten gemeinsam eine Autoreninitiative. „Theater neuen Typs“(TNT) ist kein Verein mit Vereinheitlichungsabsichten, sondern ein loser Zusammenschluß von vor allem Dramatikern, aber auch Regisseuren, Dramaturgen, Jounalisten und Thatermanagern. Ein Dialog- und Arbeitsforum, das sich um ein Theater bemüht, dessen Impuls vom Schreiben ausgeht.

Die TNT-Autoren, so unterschiedlich ihre Texte sein mögen, wollen nicht die Welt erklären, sondern zur eigenen, im Stück geschaffenen Welt stehen. Erfahrungshorizonte ändern sich, das Menschenbild von Autoren wandelt sich: Ohne es dezidiert benennen zu können, behauptet Simone Schneider, daß ihre TNT-Kollegen und sie eine neue, andere Dramatik schrieben. Wobei das Spektrum breit ist, wie man bei der 2. Langen Nacht hören und sehen können wird: Da gibt es Albert Ostermaiers lyrisch komprimierte Sprachkunst-Stücke, Thomas Jonigks böse-groteske, realistische Kleinbürgerfarcen, Alexej Schipenkos surreal entfesselte Sprech- und Denkspiele. Auch Sarah Kane, deren Blasted/Zerbombt im Malersaal gezeigt wurde, Anna Langhoff, die auch als Regisseurin arbeitet, und die Hamburger Autorin Susanne Amatosero, deren Erstling Asylanten am 9. Mai ebenfalls im Malersaal uraufgeführt wird, werden heute bis ein Uhr früh aus ihren Werken lesen und diskutieren.

Jung ist für Dramatiker ein dehnbarer Begriff, die meisten im TNT sind in den Dreißigern. Jungsein allein zählt derzeit im deutschen Theater schon viel: Die nächste Generation ist mächtig in Mode. Da fragen Theater bei den Verlagen einfach nach Texten von „Autoren unter dreißig“, und lassen sie dann von Regisseuren der gleichen Generation inszenieren. Gegen diesen heftigen Durchlauf setzt TNT eigene, tiefergehende Aktivitäten. Nach Hamburg zieht man nach Mühlheim, wo im Rahmen der Theatertage für neue Dramatik nicht nur Stücke von Daniel Call, Dea Loher, Albert Ostermaier, Simone Schneider und Oliver Bukowski aufgeführt werden, sondern auch ein „Forum Europäisches Autorentheater“stattfinden soll. TNT wird auf Kollegen aus Moskau, Paris und London treffen. Und am Oberhausener Theater wird es unter dem Titel „Achtung? Gegenwart! Werkstatt-Tage“Anfang Juni eine ähnliche Veranstaltung wie die Hamburger Lange Nacht geben.

Im TNT treffen sich Leute, die zwar auch für die anderen Medien arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, die aber mit fester Selbstverständlichkeit das so oft totgesagte Medium Theater lieben. Bei ihrer Suche nach dem „Theater neuen Typs“muß experimentiert werden.

Hartmut Krug

heute, 20 – 1 Uhr, Schauspielhaus, Kantine