Der kirchliche Rotstift streicht die Hilfe für ausländische Studierende

■ Die evangelische Kirche schließt wegen Kürzungen ihr AusländerInnenzentrum. Beratung und soziale Nothilfe gefährdet

Die Situation für ausländische Studierende wird sich vom nächsten Jahr an verschlechtern. Denn die Evangelische Kirche Berlin- Brandenburg will das AusländerInnenzentrum der Evangelischen StudentInnengemeinde (ESG) in der Carmerstraße in Charlottenburg schließen und die damit verbunde Sozialarbeit sowie die politische Bildungsarbeit aufgegeben. Grund sind die extremen finanziellen Probleme der evangelischen Kirche, die keine Mittel mehr für die Arbeit mit ausländischen StudentInnen zur Verfügung stellen will.

Das ESG-AusländerInnenzentrum betreut und berät jährlich etwa 2.500 Studierende aus Afrika, Südamerika, Osteuropa, dem Mittleren und dem Nahen Osten mit einem Jahresetat von etwa 170.000 Mark. Etwa 500 Menschen, die sich in materiellen Notlagen oder in Prüfungsvorbereitungen befinden, werden jährlich durch einen Nothilfefonds finanziell unterstützt. Dafür stehen zwar weiterhin eine Million Mark pro Jahr von der Landeskirche zur Verfügung. Das Geld wird aber vom AusländerInnenzentrum verteilt, und deshalb wird mit der Schließung des Zentrums blockiert.

Das Aus für das AusländerInnenzentrum, das 1975 gegründet wurde, ist Folge des Sparzwanges der Evangelischen Landeskirche. Von einem Haushaltsvolumen von 823 Millionen Mark 1997 reduziert die Kirche auf 751 Millionen 1998 und baut von ihrem 9.500 Stellen etwa 1.500 durch Nichtbesetzung und Kündigungen ab. Die auslaufende Stelle des Leiters des AusländerInnenzentrums werde deshalb nicht mehr neu besetzt, so Pressesprecher Reinhard Stawinski.

Der aus Altersgründen scheidende Leiter des AusländerInnenzentrums, Ton Veerkamp, kritisierte die „schizophrene Haltung der Landeskirche, die einerseits große Töne über die Nächstenliebe gegenüber Ausländern spuckt, andererseits aber konkrete Hilfe einstellt“.

Betroffen von der Schließung ist auch das Studentenwerk Berlin, deren Beratungs- und Betreuungsdienste mit einem Etat von jährlich etwa drei Millionen Mark zusammen mit der ESG die wichtigste Anlaufstelle für hilfesuchende ausländische Studierende in Berlin darstellt. „Die ESG hat immer sehr unbürokratisch gearbeitet und gute Arbeit geleistet“, so die Leiterin der Beratungs- und Betreuungsdienste, Roswita Lohmann. Bis jetzt hätten sie häufig solche StudentInnen, die nach den strengen Richtlinien des Studentenwerks keine finanzielle Unterstützung erhielten, an die ESG weitergeleiten können. Nun befürchtet Lohmann, daß abgewiesene StudentInnen allein gelassen würden.

Auf Initiative Veerkamps wird zur Zeit über Möglichkeiten diskutiert, in welcher Form die Betreuung für ausländische StudentInnen aufrechterhalten werden kann. Geplant ist offenbar ein von der Kirche unabhängiger gemeinnütziger Verein. Geprüft wird auch, ob dieser Verein die Gelder aus dem Nothilfefonds der Evangelischen Landeskirche verteilen könnte. Martin Hörnle