Die Rückkehr des apokalyptischen Reiters

■ Den ARD-Kleinsendern fällt gegen die Kürzungsforderungen ihres Chefs wieder nicht viel ein

„Es geht wieder los“, sagt Horst Schättle, der Intendant des SFB, und das sei ja erst einmal gut. Ein Paar Kilometer weiter östlich sitzt sein Kollege Hans-Jürgen Rosenbauer vom ORB und sieht das Ganze kritischer. „In den Zeiten ihres größten Programmerfolgs“ fange die ARD wieder an, „sich in den Abgrund zu diskutieren“: „Unnötig.“ Schon vor einigen Wochen hatte ein Kollege der beiden mit Blick auf die Aktivitäten des ARD-Vorsitzenden Udo Reiter angemerkt, solange man nichts Besseres als das zu tun habe, sei das halt als Zeichen zu nehmen, „daß es uns noch zu gut geht“.

Dabei macht es zuerst politischer Druck, daß die ARD mal wieder wild über ihre Struktur streitet: Nächstes Jahr wollen die Länderchefs einen Plan der Intendanten für eine Reform sehen. Kommende Woche wollten die Anstaltschefs diskutieren, was sie den Regierungen erzählen.

„Es geht wieder los“: Die Verlaufsform des Streits ist seit Jahren die gleiche. 1. Akt: Der Vorsitzende Reiter fordert wie die konservativen Politiker und Chefs anderer Großsender: Die Kleinen müssen weg – oder Radio Bremen, Saarländischer Rundfunk, der Berliner SFB und der Brandenburger ORB müßten sich zumindest bei Kosten und Mitspracherechten so bescheiden, daß sie der ARD- „Kerngruppe“ (NDR-Chef Jobst Plog) nicht mehr zu Last fallen. Schließlich leben die Kleinen für die Großsender von deren Geld: RB, SR und SFB kassieren aus dem ARD-Finanzausgleich.

2. Akt: Die Kleinen heulen auf. Landespolitiker, die „ihre“ Sender behalten wollen, schimpfen. Der apokalyptische Reiter aus Leipzig sei wieder unterwegs, heißt es dann aus den Sendern unheildräuend – das „Ende der ARD“ drohe. Zudem: Die Kleinen seien viel billiger als die großen, sagen die Kleinen; das stimme gar nicht, sagen die Großen, es stimme doch, sagen die Kleinen und so fort.

3. Akt: Udo Reiter murmelt eine Entschuldigung dafür, daß er so rüde sei. Und schlägt vor, welche Kröten genau die kleinen Sender schlucken sollten, wenn sie nicht in einer Fusion sterben wollten (etwa mit Reiters MDR, was SFB und/oder ORB anbetrifft). Diesmal heißt das Rezept: nur noch zwei Radioprogramme; nur noch eine Stunde täglich in einem Dritten; nicht mehr im Ersten mitreden. 4. Akt: Die Kleinen geloben, lieber zu kooperieren, als mit Großen zu fusionieren, alle sind böse aufeinander und im großen und ganzen bleibt alles, wie es ist.

Doch so immergleich sich das Spiel wiederholt – untergründig treibt es die Parteien vielleicht doch auf eine Lösung zu. Im Saarland könnte sich der SR für sein Überleben hie und da etwas bescheiden und an die monströse Fusionsanstalt SWR anlehnen. In Bremen könnte RB Regionalsender sein, ein bißchen beim NDR die Hand aufhalten.

Nur in der machtpolitisch wichtigen Hauptstadtregion ist kein Ende abzusehen. Einerseits ist da die Idee einer Fusion von ORB und SFB. Das wäre ein Sender, „groß und leistungsstark wie der Hessische Rundfunk“, schwärmt nun Brandenburgs Regierungssprecher Erhard Thomas. Sagt auch ORB-Rosenbauer, sagt auch SFB-Schättle. Andererseits: Die „Politische Gemengelage“, ächzt Schättle. Die wird durch die ständig neuen Strukturspielchen nicht einfacher. Da legt etwa Rosenbauer seinen Rundfunkräten Folien vor, auf denen steht „Alternative: ORB + Sachsen-Anhalt + Mecklenburg-Vorpommern“. Andererseits findet Rosenbauer solche Vorschläge „unrealistisch“. Der apokalyptische Reiter – und mit ihm diese Diskussion – kommt immer wieder. Und er trägt viele Namen. Nicht nur Udo. Lutz Meier