■ Kanzlerkanditat Schröder tafelt mit Weißrußlands Diktator
: Erst kommt der Profit

Wie einfach doch die Welt sein kann: Da genügt ein harmloses Mittagessen, um die Politiker in Bonn daran zu erinnern, daß in Weißrußland Menschenrechte verletzt werden. Daß sich dabei besonders die Christdemokraten exponieren und gleich den Auswärtigen Ausschuß des Bundestages mit dem Vorfall befassen wollen, liegt in der Natur der Sache. Schließlich saß, außer dem Privatbesucher der Hannover- Messe, Alexander Lukaschenko, der ganz nebenbei auch noch Präsident eines nicht ganz so demokratischen Landes ist, kein geringerer als SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder mit am Tisch. Im Wahlkampf ist eben kein Weg zu weit, auch wenn er über Minsk führt. Da fallen dann die unzähligen Empfänge gar nicht mehr ins Gewicht, bei denen Politiker der noch amtierenden Bundesregierung, flankiert von gewichtigen Wirtschaftsvertretern, in China oder Indonesien zu lukrativen Geschäftsabschlüssen kommen.

Doch genauso verlogen, wie das Engagement der CDU für Menschenrechte, ist Schröders privates Tête-à-tête mit dem Dikator. Vielleicht sollte sich der mögliche Neukanzler, dem ja nicht die schlechtesten Beziehungen zu Vertretern der Wirtschaft nachgesagt werden, an selbigen rhetorisch ein Beispiel nehmen. Immerhin sprechen sie längst offen aus, was Schröder und seinesgleichen noch zu bemänteln versuchen: daß erst der Profit kommt und dann – wenn überhaupt – die Moral. Und wenn bei Joint-ventures mit Minsker Betrieben erst mal der weißrussische Rubel rollt, sind ein paar zusammengeknüppelte Oppositionelle eben zweitrangig.

Daß Schröders Fauxpas ein deutliches Licht auf die Einstellung des Kanzleranwärters zu Fragen der Menschenrechte wirft, ist eine Sache. Eine andere sind die Konsequenzen für die weißrussische Opposition. Und die sind katastrophal. Für sie, die im Einsatz für ein demokratisches Weißrußland täglich Kopf und Kragen riskieren, kommt die Einladung Lukaschenkos, in welcher Eigenschaft auch immer, einem Schlag ins Gesicht gleich.

Vielleicht würden Vertreter der weißrussischen Sozialdemokraten, von denen einige in Gefängnissen sitzen, auch gerne einmal mit Schröder zu Mittag essen. Zugegeben: Zur Anbahnung von Wirtschaftskontakten hätten sie wenig beizutragen. Und weniger verläßlich als Lukaschenko sind sie außerdem. Denn der dürfte noch für lange Zeit Schröders Ansprechpartner bleiben. Seine Amtszeit ist ja erst mal über das Jahr 2000 hinaus verlängert. Per Volksentscheid und ganz demokratisch natürlich. Barbara Oertel