Homosexuelle Ausländer werden besonders überprüft

■ Bonner Außenministerium erschwert Visaerteilung für binationale homosexuelle Partner

Berlin (taz) – Das Auswärtige Amt hat eine Weisung erlassen, mit der die Einreisepraxis für Homosexuelle verschärft wird. Das Außenministerium widerspricht damit Weisungen mehrerer Bundesländer, wonach lesbische und schwule AusländerInnen, die in Deutschland eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft führen wollen, eine Aufenthaltserlaubnis erhalten können. Seit September vergangenen Jahres dürfen die Botschaften und Konsulate entsprechende Visa nicht mehr eigenständig erteilen, sondern müssen die Fälle dem Außenministerium zur Prüfung vorlegen. Ein Visum dürfen sie nur noch nach Weisung des Auswärtigen Amtes erteilen. In zwei Fällen, in denen die zuständigen Ausländerbehörden eine Aufenthaltserlaubnis erteilen wollten, hat das Ministerium die Erteilung eines Einreisevisums dennoch abgelehnt.

Beide Paare prozessieren gegen die Entscheidung. Vor dem Oberverwaltungsgericht Münster erklärte der Prozeßvertreter des Auswärtigen Amtes im Januar, daß derzeit nur noch unter zwei Bedingungen ein Einreisevisum erteilt werde. Homosexualität muß im Heimatland des ausländischen Partners strafbar sein und tatsächlich verfolgt werden. Da weibliche Homosexualität nur in sehr wenigen Ländern strafrechtlich verfolgt wird, bedeutet dies für Lesben, daß sie so gut wie gar nicht mit einem Visum rechnen können. Außerdem muß die Partnerschaft bereits in Deutschland bestanden haben. Dies ist nach Erfahrung von Rechtsanwalt Dirk Siegfried nur selten der Fall.

„Damit konterkariert das Auswärtige Amt die großzügigeren Regelungen mehrerer Bundesländer“, so Siegfried. In Nordrhein- Westfalen, Hamburg und Berlin gibt es seit Februar bzw. März Weisungen der Innenbehörden, wonach ausländischen Lesben und Schwulen zur Führung einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. Auch in Hessen soll in den nächsten Wochen eine Weisung in Kraft treten.

In Hamburg, Berlin und NRW müssen die Paare einen notariell beglaubigten Partnerschaftsvertrag vorlegen. Während Hamburg und Berlin keine Mindestdauer für die Beziehung vorschreiben, müssen Paare in Nordrhein-Westfalen „lang andauernde Kontakte“ nachweisen. Als Anhaltspunkt verweist das NRW-Innenministerium auf einen Präzedenzfall, den das Oberverwaltungsgericht Münster 1996 positiv entschieden hatte. In dem Fall konnte das Paar regelmäßige Kontakte über einen Zeitraum von zwei Jahren nachweisen.

Das rot-grün regierte Hamburg verfügt über die weitgehendste Regelung. Hier ist eine Weisung zu erteilen, wenn die Voraussetzungen vorliegen. In Berlin und NRW liegt die Entscheidung im Ermessen der Ausländerbehörde. Nach Angaben von Rechtsanwalt Dirk Siegfried sind gegenwärtig bundesweit zwei Dutzend Fälle anhängig. „Wenn es Aussicht auf Erfolg gäbe, würden aber viel mehr Paare einen Antrag stellen“, so seine Erfahrung.

Die ungewöhnliche Einzelfallprüfung von Visa-Anträgen durch das Auswärtige Amt begründete eine Ministeriumssprecherin damit, daß eine „gleichmäßige Verwaltungspraxis“ angestrebt werde. Bei insgesamt 220 Auslandsvertretungen und einer geringen Zahl von Anträgen handele es sich meist um den ersten Fall. Seit September 1997 sind, so die Sprecherin, ein Dutzend Anträge bearbeitet worden. Davon wurden zwei positiv entschieden, zwei rechtskräftig abgelehnt, in anderen Fällen sind Klagen anhängig.

Der Schwulenverband in Deutschland (SVD) kritisiert das Außenministerium. Es sei ein einmaliger Vorgang, daß trotz Zustimmung der Ausländerbehörden ein Einreisevisum verweigert wird. Damit würden Lesben und Schwule diskriminiert. Dorothee Winden