Kritik an der UNO-Konsenskultur

Das Ergebnis der Sitzung der Menschenrechtskommission in Genf wird unterschiedlich bewertet. Der Leiter der deutschen Delegation ist jedenfalls zufrieden  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Für Gerhart Baum, deutscher Delegationsleiter seit 1993, war die heute zu Ende gehende Sitzung der UNO-Menschenrechtskommission „die beste, die ich je erlebt habe“. Vertreter vieler regierungsunabhängiger Organisationen (NGOs) sprachen hingegen von einer „enttäuschenden Veranstaltung“.

Ob die sechswöchigen Beratungen des UNO-Gremiums, die vor 50 Jahren mit der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ den Grundstein für zahlreiche internationale Pakte und Konventionen gelegt hatte, einen Fortschritt, Stillstand oder gar Rückschritt für die Durchsetzung von Menschenrechten markiert, ist unter TeilnehmerInnen und BeobachterInnen umstritten.

Baum und der für Menschenrechtsfragen zuständige Leiter der politischen Abteilung in der deutschen UNO-Mission, Michael Schäfer, konstatierten „einige herausragende Fotschritte“: an erster Stelle die Verabschiedung der „Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsaktivisten“ nach über 13jährigen Verhandlungen in der UNO-Kommission. Der Beschluß der Kommission, einen Sonderberichterstatter zum bislang vor allem von Staaten des Südens eingeforderten „Recht auf Entwicklung“ einzusetzen, ist nach Einschätzung Schäfers „eine Quantensprung von der rein akademischen Befassung mit diesem Thema auf die Ebene der Regierungen“. Insgesamt seien die Beratungen in diesem Jahr relativ entspannt und weniger konfrontativ als in den Vorjahren verlaufen. Dies wertete auch der diesjährige Kommissionsvorsitzende, Südafrikas Botschafter Jakob Selebi, in seiner Abschlußbilanz als positives Zeichen. Die in den Vereinigten Staaten ansässige Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) bewertete die Sitzung hingegen als insgesamt „enttäuschend“. HRW-Sprecherin Joanna Weschler kritisierte „den mangelnden politischen Willen“ der 53 Mitgliedstaaten, gegen Menschenrechtsverletzungen in Algerien und China vorzugehen. Amnesty international (ai) äußerte die Befürchtung, die von Baum, Schäfer und Selebi gelobte „neue Konsenskultur“ könne dazu führen, daß die konkrete Benennung von Menschenrechtsverstößen künftig noch mehr erschwert werde. Das gelte auch für die unerläßlichen Auseinandersetzungen bei der Verbesserung des Menschenrechtsschutzes.

Auf übereinstimmende Kritik bei Vertretern von Bundesregierung und NGOs stieß das Verhalten der USA. Washington habe sich „zunehmend isoliert“, erklärte Baum. Bei den beiden Resolutionen über das „Recht auf Entwicklung“ und die von Israel besetzten Gebiete hatten die USA allein gegen die anderen 52 Kommissionsstaaten gestimmt; die Mehrheit für die Resolution zur Verurteilung der Todesstrafe hatte Washington auch mit massiven Druck auf zahlreiche Hauptstädte nicht verhindern können; schließlich fand sich für die von Washington eingebrachte Resolution zur Verurteilung Kubas erstmals seit 1992 keine Mehrheit.

Kritische Anfragen zum Thema Todesstrafe und Hinrichtungspraxis wiesen einflußreiche US-Politiker und der Supreme Court in Washington in den letzten Wochen als „unakzeptablen Eingriff“ in die inneren Angelegenheiten der USA zurück. Kommentar Seite 12