Studierende wollen BVG boykottieren

■ Verzicht auf Monatskarte im Mai, um endlich das Semesterticket durchzusetzen. Einführung mit VBB-Start im November angepeilt

Zu einem befristeten Boykott des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin und Brandenburg haben die Studierendenvertretungen aufgerufen. Um der Forderung nach einem Semesterticket endlich zum Durchbruch zu verhelfen, sollten sich die Studierenden für den Mai keine Monatsmarken kaufen, sagte „Semtix“-Sprecher Florian Böhm.

Schon seit Jahren verhandelt „Semtix“ mit den Verkehrsbetrieben, um den Studierendenausweis wie in vielen anderen Uni-Städten in einen Fahrschein fürs ganze Semester zu verwandeln, der mit der Rückmeldung bezahlt wird. Der Preis könnte weit niedriger liegen als bisher, weil die Verkehrsbetriebe Kunden hinzugewinnen und Kosten für die Fahrkartenabrechnung sparen würden. 1995 brach „Semtix“ die Verhandlungen ab, weil die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) 190 Mark je Semester verlangten.

Inzwischen schöpfen die Studierenden neue Hoffnung, weil nicht mehr die BVG die Verhandlungen führt, sondern der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB). VBB-Chef Uwe Stindt brachte schon beim Verkehrsverbund Rhein-Main ein Semesterticket für ganz Südhessen ins Rollen. Die Studierenden setzen darauf, daß der neue VBB-Tarif am 1. November gleich mit Semesterticket startet. Der Verkehrsverbund sei grundsätzlich „dafür, ein Semesterticket einzuführen“, bestätigte seine Sprecherin. Es sei allerdings „politischer Rückhalt“ vonnöten. Diesen lasse Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) jedoch vermissen, klagen die Studierenden.

Seine Überzeugungskraft eingebüßt hat unterdessen das Argument der BVG, ein Semesterticket lohne sich in Berlin kaum, weil ohnehin weit mehr Studierende als andernorts öffentliche Verkehrsmittel benutzten. Weil die Preise in den letzten sieben Jahren um bis zu 400 Prozent gestiegen sind, fahren immer mehr Studierende mit Fahrrad oder Auto. Nach einer Studie des Hochschul-Informationssystems (HIS) fuhren 1994 im Ostteil der Stadt nur noch 55 Prozent von ihnen mit BVG und S-Bahn zur Uni, während es drei Jahre zuvor noch 76 Prozent waren. Im Mai will das HIS die aktuellen Zahlen veröffentlichen. Wenn sich der Trend fortsetzt, bedarf es eines Boykottaufrufs bald nicht mehr. Ralph Bollmann