Zebras Gefahren bei Aquaplaning

■ Drei Hamburger exportieren Poetry Slam zur ArtGenda nach Stockholm Von Birgit Glombitza

So ein Zebra ist eine praktische Angelegenheit. Kein Weg ist ihm zu weit, kann doch so ein Zebra alles spielend und nicht selten pfeifvergnügt abtraben. Nur die profilarmen Hufe, die sind nun mal nicht das Wahre, da muß man aufpassen. Bei Aquaplaning oder Glatteis zum Beispiel. Auch im Aufzug kann es Probleme geben. Deswegen wird Gelegenheitszebra und Poetry Slamerin Tina Uebel in ihrem jüngsten Text Kilimandscharo im Regen, den sie für die Poetry Revue der ArtGenda 98 verfaßte, erst im Erdgeschoß zum gestreiften Steppentier. Dann hängt sie sich den Einkaufsbeutel um den Hals und nimmt auf der Reeperbahn die Witterung auf. „Schlangen brauchen länger als zwanzig Minuten von mir zum Supermarkt, Schlangen brauchen wirklich ewig, ich hab's ausprobiert.“

Für Ewigkeiten ist auch auf der Bühne keine Zeit. Da muß der Sprachwitz einen doppelten Rittberger hinlegen. Slam Poetry ist schnell, direkt und knapp. Splatter, Weisheit, Blues, Karneval, Parodie oder Paranoia – alles eine Sache von Sekunden, Rhythmus und Pointierung. Und das Publikum kennt kein Pardon. „Ein guter Text muß on stage und on page wirken“, pflegen alte Slamer wie Boris Preckwitz die Doppelbelastung ihrer Zunft zusammenzufassen. Und da draußen auf den Bühnen im fools garden oder im Laola-Club wartet die Vorhölle: „Die Hamburger sind das härteste Publikum überhaupt.“Poetry Slamer arbeiten unter Nahkampfbedingungen. Verzückte Metaphern-spreizer und selbstvergessene Syntaxstreichler rutschen direkt ins Fadenkreuz der Buh-Pöbler und Wasserpistoleros. Die Publikumsjury benotet die strikt nur sanduhrlangen Beiträge nach dem Prinzip des olympischen Kunstspringens von eins bis zehn.

Zur Zeit bereiten sich Tina Uebel (zusammen mit der Musikperformerin Sabine Worthmann) und Boris Preckwitz auf die internationalen Wettkampfbedin-gungen bei der ArtGenda in Stockholm vor. Die Begründer von „Hamburg ist Slamburg“grübeln mit Dierk Hagedorn, (Edition 406, Absynnd), der die Poetendelegation von der Elbe komplettiert, über ihre Poetry Revue, Workshops und literarische Internet-Konferenzen. Von der Kunst-Biennale der baltischen Anrainerstaaten versprechen sich die Hamburger vor allem „ein innigeres internationales Networking“. Blumentöpfe, Ruhm und tosende Mengen sind auch nicht schlecht. Doch „die beste Reaktion ist eigentlich vollkommene Stille“, meint Boris Preckwitz, „dann hat alles geklappt, dann ist der Autor wirklich das Medium seiner Texte und das Publikum genau davon fasziniert.“

Und wenn Preckwitz seine Reisenotizen Americruiser auf der ArtGenda mit Zwischentakten rhythmisiert und Müllpanoramen im Blues schlurfen läßt, dann klappt vielleicht alles. Dann hört man nur „heißes missjulichicago brennt die froster durch und läßt den totschlag nicht mehr aus den schlagzeilen ...“Dann ist es still, und die Zebras können kommen.

Vor ihrer Abreise nach Stockholm veranstalten die Poetry Slamer noch eine „Poetry Revue“in Hamburg – heute um 17 Uhr auf dem Rathausmarkt