Schon ein wenig Wahnwitz

Gesichter der Großstadt: Blickt Robert Schwan, graue Eminenz und Aufsichtsrats-Chef von Hertha BSC, noch durch? Er ist Vordenker, Polterer und auch ein Starrsinniger  ■ Von Martin Sonnleitner

Er sei „wie die Jungfrau zum Kind“, zum Fußball gekommen, sagt Robert Schwan. „Irgendsoa spinöser Mitarbeiter“ habe ihn Mitte der sechziger Jahre darum gebeten, sich um seinen Lieblingsverein zu kümmern, der wieder einmal den Aufstieg aus der Regionalliga ins Oberhaus des Fußballs nicht geschafft hatte. Es handelte sich um den FC Bayern München. Heute sitzt Schwan als opahafter Aufsichtsrats-Chef dem Hauptstadtclub Hertha BSC vor und macht durch ähnlich „soa spinöse“ Ausfälle von sich reden, die zu Turbulenzen im Verein, in der Stadt und der Fankurve führen. Grantelt da einer, der vom Altersstarrsinn gepackt wurde, der den Trainer nicht leiden mag oder der nur noch einmal mit Hertha in den Fußball-Himmel will, bevor er selbst dorthin entfliegt?

Ein Blick zurück: Schwan sagt von sich selbst, daß er zu Beginn seiner Bayern-Zeit zwar keinen direkten Bezug zum Fußball hatte, doch galt er damals schon als Finanzgenie, mit einer immensen Energie, Dinge in Taten umzusetzen und ohne Kompromisse den Gipfel des Erfolges zu erklimmen. So verwundert es nicht, daß der heute 76jährige passionierte Bergsteiger gar einen Zeh auf einer Bergtour ließ – „ich dachte, wir gehen drauf“ – alles des Erfolges wegen, die Spitze zu erreichen. 1966 avancierte der Direktor einer Versicherungsgesellschaft zum Technischen Direktor des FC Bayern und war damit erster hauptberuflicher Manager der Bundesliga. Dort widmete sich Schwan fortan dem Fußball und vor allem einem: seinem Zögling Franz Beckenbauer. Der Rest ist Legende.

Die Vita läßt vermuten, daß er gar nicht anders kann, als mit Hertha ähnliches vorzuhaben. Doch wer neulich Schwans Ausfall vor den digitalen Kameras der Fußballshow „ran“ erlebt hat, wo er bellend den Rausschmiß Trainer Röbers forderte, mußte fast schon ein wenig Wahnwitz beim alten Herren der Zweite-Weltkrieg-Generation konstatieren. Laut tritt Schwan meistens auf, tobt wie ein Vulkan, läßt Sätze heraus wie: „Ich Vollidiot bin von schwachen Leuten umzingelt, Röber muß weg, was Hoeneß dazu sagt, ist mir scheißegal.“

Aber Schwan ist mehr als nur polternd oder fast schon senil: Im Gegensatz zu den Eruptionen, pflegt er auch Distanz: Es zählt zu den Lieblingsspielchen des Pfeifenschmauchers, Leute auflaufen zu lassen. Man weiß nicht, was Spaß und was Ernst ist, oft hat man das Gefühl, er „verarscht“ die Leute, wo er dieses Wort doch so gerne benutzt. Im Wechselbad der Gefühle ist nur eines klar: Schwan selbst.

Diese Imponderabilien sind es, die der Hertha zu schaffen machen. Vom Rest des Vorstands, über die Mächtigen vom Sponsor Ufa bis hin zu Manager Hoeneß und Trainer Röber, weiß niemand, woran er bei Schwan ist, der sich nicht in die Karten gucken läßt. Für Schwan bedeutet der heutige Hertha-Boom in erster Linie ein Medienspektakel. Mit der Ufa ist der potenteste Geldgeber eine Tochtergesellschaft eines der beiden Medienimperien des Landes, Bertelsmann. Zugleich geht es dem alten Mann um den Standort Berlin, Politik- und Medienmetropole, Bundeshauptstadt und um viel, viel Geld.

Und erst dann sind da die Spieler und Trainer Jürgen Röber, der wahrscheinlich deshalb gehen soll, weil Schwan längst ahnt, daß das Kicken um die Lederpille nur Nebensache ist. Schwan glaubt indes, daß man nur mit Hartherzigkeit höchste Weihen kapitalistischer Erfolge erlangen kann.

Doch auch der taffe Schwan hat einen dunklen Fleck in seiner Biographie. Schon einmal ist er davongejagt worden. Als er Beckenbauer 1977 für viel Geld zu Cosmos New York lotste, skandierten die Bayern-Fans: „Schwan, Du Drecksau“, kurz darauf wurde er bei Bayern entlassen. Bekanntlich wiederholen sich Dinge manchmal im Leben. Doch diesmal hat er vorgesorgt, indem er die Fäden in der Hand hält.

Schwans Wiederkehr in die Löwenarena Bundesliga war mit Ansage. Bis Ende letzten Jahres wußten zwar Insider um seine hohe Funktion bei der Hertha, doch es war still um die graue Eminenz. Dann las man in der Fachzeitschrift hattrick, daß er sich seines Alters besinnen solle und einsehen, daß seine Zeit vorbei sei. Aus dem bergigen Wohnort Kitzbühel hallte ein Grollen, und der zähe Herr war wieder auf der Bildfläche, frei nach dem Motto: „Totgesagte leben länger“.

Wie schon bei den Bayern waren es in erster Linie „geschäftliche Verbindungen“, die Schwan 1997 nach Berlin lotsten. Sind 20 Millionen Mark von der Ufa nun viel Geld, genug, um bei Hertha BSC den Kurs zu bestimmen oder weiß der alte Fuchs Schwan, daß in Zeiten, wo Bayern München pro Jahr bis zu 15 Millionen Mark alleine von Opel kassiert, die Hertha die Ufa gar nicht so nötig hat. Eines ist sicher, Hertha wird gemocht, nicht zuletzt wegen ihres liebenswerten Trainers. So würden die meisten Hertha-Fans sicher lieber einen zweiten VFL Bochum in Deutschlands größter Stadt sehen als einen zweiten FC Bayern. Robert Schwan wird dies egal sein.