Rechtsradikale verhageln SPD den Sieg

■ DVU erzielt in Sachsen-Anhalt bestes Ergebnis einer rechtsradikalen Partei bei Landtagswahlen. SPD legt weniger zu als erwartet, Grüne unter fünf Prozent. Höppner kündigt „stabile Regierung“ an. Alles deutet auf große Koalition hin

Berlin (taz) – Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) ist der Sieger der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt – doch so recht freuen kann er sich über die rund 37 Prozent für die Sozialdemokraten nicht. Denn die SPD gewann damit zwar etwa drei Prozentpunkte gegenüber dem Urnengang von 1994 hinzu. Doch die rechtsradikale DVU des Münchner Verlegers Gerhard Frey kam aus dem Stand auf rund 12 Prozent der Stimmen. Sie war zuvor in Sachsen-Anhalt überhaupt nicht aufgetreten. Bei den unter 30jährigen sahnten die Rechtsradikalen sogar 27 Prozent aller Stimmen ab und wurde damit zur stärksten Partei. Mit dem Aufstieg der Neonazis wird eine große Koalition in Magdeburg wahrscheinlich – und das, obwohl die CDU von bisher 34 auf rund 22 Prozent in den Keller ging. Doch ein SPD-Ministerpräsident wird wohl kaum bei nur 37 Prozent unter Tolerierung der PDS regieren können.

SPD-Kanzlerkandidat Schröder meinte in Hannover, er wolle Höppner, über dessen Sieg er sich sehr freue, keine Empfehlungen zur Regierungsbildung geben. Nötig sei aber eine „stabile Regierung“. Die sei sicher nicht möglich mit der PDS. Das Abschneiden der DVU sei „schmerzlich“, und eine stabile Regierung sei das beste Mittel gegen Rechtsradikale. Dem schloß sich Höppner indirekt an, in dem er eine „stabile Regierung“ versprach. Er und der CDU-Spitzenkandidat, Christoph Bergner, schlossen eine große Koalition nicht länger aus – trotz der innigen Feindschaft, die beide bisher verband. Höppner erklärte, es gebe dennoch keinen Anlaß zur Katerstimmung, sondern „Veranlassung zuzupacken“. Schröder sagte zum Abschneiden der CDU, dies sei eine persönliche Niederlage Kohls. Er sei damit im Osten Deutschlands „abgewählt“. Eine „deutliche Schlappe“ für die CDU gestand auch deren Generalsekretär Peter Hintze ein. Die Gründe müsse die Partei in erster Linie bei sich selbst suchen.

Keine Rolle in den fünf neuen Ländern spielen ab sofort die Bündnisgrünen. Im letzten Bundesland, in dem sie noch im Parlament vertreten waren, verloren sie katastrophal und erreichten nur noch etwa 2,9 Prozent. Damit ist die einzige rot-grüne Koalition in einem der neuen Bundesländer beendet. Die Bundesvorstandssprecherin der Grünen, Gunda Röstel, sprach von einer bitteren Niederlage für ihre Partei. Das schlechte Abschneiden der Grünen ist nach Ansicht ihrer Spitzenkandidatin Heidrun Heidecke jedoch nicht auf Fehler in der Regierungszeit zurückzuführen. Ihre Partei habe die Stammwähler „in etwa gehalten“, sagte die Umweltministerin. Der Bonner Fraktionschef Joschka Fischer rief seine Partei dazu auf, nun „nicht die Flinte ins Korn zu werfen. Wir dürfen Ostdeutschland nicht aufgeben.“

Die FDP konnte den Einzug in die Volksvertretung von Sachsen-Anhalt nicht schaffen. Nach Hochrechnungen kam sie ähnlich wie schon vor vier Jahren auf etwa vier Prozent der Stimmen. Die PDS, bisher Tolerierungspartner der rot- grünen Koalition, konnte ihr Ergebnis von bisher 19,5 Prozent in etwa halten. „Die PDS bleibt eine wichtige Kraft in der Landespolitik“, erklärte PDS-Parteichef Lothar Bisky zufrieden. Die Partei bot an, eine SPD-Regierung weiter zu tolerieren.

Die Reaktionen waren vom Wahlerfolg der DVU geprägt. CDU-Spitzenkandidat Bergner gab der bisherigen Regierung die Schuld und sprach von einer „Frucht des Magdeburger Modells“. Höppner wies das scharf zurück und diagnostizierte, die DVU-Wähler seien „sozial an den Rand gedrängt“. SPD-Kanzlerkandidat Schröder warnte davor, die jungen DVU-Wähler pauschal als Rechtsextremisten abzuqualifizieren. Er werde um diese Menschen kämpfen, meinte Schröder. SPD- Vorstandsmitglied Wolfgang Thierse sagte, den DVU-Erfolg habe „vor allem die Bundes-CDU zu verantworten“.

Noch nie konnte die rechtsradikale Partei einen derartigen Sieg verbuchen. In Bremen und Schleswig-Holstein hatte die DVU 1991 und 1992 nach einem massiven Wahlkampf 6,2 bzw. 6,3 Prozent der Stimmen erhalten. Die Republikaner kamen 1992 in Baden-Württemberg auf 10,9 Prozent. DVU-Chef Gerhard Frey erklärte das Abschneiden seiner Partei zum „Sieg der Demokratie“. klh Tagesthema Seite 3