: Industrie kriegt ihr Fett ökologisch weg
Pflanzliche Reiniger für Umwelt, Wirtschaft und Gesundheit vorgestellt ■ Von Heike Haarhoff
Es war eine Vorstellung wie zu besten TV-Werbezeiten. „Im Gegensatz zu herkömmlichen, organischen Lösemitteln, die die Fettschicht von der Oberfläche her anlösen, dringt unser Reinigungsstoff...“Wie einst Clementine ihr Waschmittel, präsentierte Mario Dobernowsky von der Hamburger „Kooperationsstelle für gute Arbeit und Umweltschutz“gestern im DGB-Haus einen neuen und umweltverträglichen, weil rein pflanzlichen Reinigungsstoff zur Entfettung von Metallwerkzeugen und Industrie-Maschinen.
Vor laufenden Fernsehkameras tauchte Dobernowsky zwei mit Industrieschmiere besudelte Metallstäbe in die beiden Gläser vor ihm: in dem einen organisches, in dem anderen pflanzliches Lösemittel. Das Resultat – zwei blitzende Metallstäbe – war nach wenigen Minuten zwar dasselbe. Doch die „Pflanzenölester“auf der Basis von Raps, Kokos und Sonnenblumen plus Alkohol überzeugten Hamburgs Umweltsenator Alexander Porschke (GAL), IG-Metall-Küste-Chef Frank Teichmüller und Thomas Klischan vom Arbeitgeberverband Nordmetall mehr. So sehr, daß die drei Herren sogleich eine ökologisch-innovative Kooperation für Norddeutschland besiegelten: Bis zum Jahr 2000 werden 64 Betriebe aus Fahrzeug- und Maschinenbau, Werften, Eisenbahn und Stahlwerke das Pflanzen-Lösemittel freiwillig ersatzweise testen.
Zwei Drittel der Firmen, darunter die Blohm + Voss-Industrietechnik, sind in Norddeutschland angesiedelt, die übrigen in den Niederlanden und Österreich. Das Projekt wird mit 2,5 Millionen Mark aus dem EU-Umweltförderprogramm „LIFE“unterstützt. Gefördert werden die Beratungsarbeit in Betrieben, die umstellen wollen, sowie Tests zur Explosionsgefahr oder Verträglichkeit der Ester mit den herkömmlichen „Waschanlagen“. Koordinatorin ist die „Kooperationsstelle Hamburg“.
Anders als die organischen Lösemittel verursachen Pflanzenreiniger weder Hauterkrankungen bei den Beschäftigten noch Sommer-smog und andere Klimaschäden. Weil sie nicht verdunsten, können sie keine Schadstoffe in die Luft abgeben. Außerdem, freute sich der Umweltsenator, würden „nachwachsende Rohstoffe“verbraucht.
Die deutsche Metall- und Elektroindustrie setzt jährlich 180.000 Tonnen organische Lösemittel zur Reinigung ein. Durch die Ester könnte dieser Verbrauch um 80 Prozent gesenkt werden – zu einem akzeptablen Preis: Zwar sind die Kosten zwei- bis dreimal so hoch wie bei Mineralölprodukten, doch niedrigerer Verbrauch und längere Gebrauchsdauer gleichen das aus.
Leider ist das pflanzliche Lösemittel nicht mit jeder betrieblichen „Waschmaschine“kompatibel. Doch seien viele Unternehmen zu dieser „Investitionsentscheidung“bereit, „wenn wir sie überzeugen“, hofft IG-Metaller Teichmüller. Die Gefahr, daß Arbeitsplätze in der herkömmlichen Lösemittel-Industrie verlorengehen, sieht der Gewerkschafter nicht so recht. Die Erfahrung zeige, daß Betriebe durchaus zur Umstellung bereit seien und trotzdem nicht pleite gingen: „Wir zum Beispiel“, strahlte der Marketing-Manager der Hamburger Firma Haltermann. Sie ist auf dem Weg, ihr Angebot an industriellen Teilereinigungs-Mitteln auf rein pflanzliche Basis umzustellen.
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