Rechtes Potential noch unerforscht

■ Untersuchungen über Wählermilieus wurden in den letzten Jahren nicht durchgeführt. Experten jedoch sind sich einig: Das Potential für rechtsextreme Parteien steht auch in der Hauptstadt

Ob rechtsextreme Parteien auch in Berlin einen Erfolg wie in Sachsen-Anhalt einfahren könnten, ist gänzlich unerforscht. Denn eine Untersuchung des Wählerpotentials, die sehr viel aufwendiger ist als die berühmte Sonntagsfrage, ist in den letzten Jahren nicht gemacht worden. Man habe bei den potentiellen Auftraggebern einer Untersuchung diese Fragestellung als nicht relevant erkannt, sagt der Parteienforscher Professor Oscar Niedermayer. Doch die Experten sind sich einig: Auch in der Hauptstadt ist das Potential vorhanden.

Auf die Frage, welche Partei gewählt würde, wäre am nächsten Sonntag der Urnengang, ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Infratest/dimap Anfang April für die „Republikaner“ einen Wert von landesweit 3 Prozent. Im Ostteil lag der Wert bei 4 Prozent, im Westen bei 3 Prozent. Die DVU oder andere rechte Parteien tauchten in der Untersuchung für den Tagesspiegel überhaupt nicht auf. Niedermayer ist jedoch überzeugt, daß das Potential für rechtsradikale Parteien auch in Berlin wesentlich höher ist.

Für den Rechtsextremismusforscher Dr. Richard Stöss ist klar, daß der Wahlerfolg der DVU in allen ostdeutschen Ländern und Berlin wiederholbar ist. Er schätzt, daß rechtsextreme Parteien ihre Wähler vor allem aus dem Lager der Nichtwähler, aber auch aus dem Wählerpotential von CDU, SPD und PDS holen.

Der Rechtsextremismusexperte Bernd Wagner sieht die Wahlerfolge der DVU nicht nur als Ausdruck einer Protesthaltung. Die Zahlen belegten vielmehr eine „völkisch-nationale Grundstimmung in weiten Teilen der Jugend“, sagte Wagner, der für das Brandenburger Amt der Ausländerbeauftragten arbeitet. Offenbar treffen autoritäre Sprüche und einfache, aber falsche Wahrheiten in den neuen Ländern auf besonders fruchtbaren Boden, sorgt sich Andreas Schulze, der Berliner Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. Er fordert mehr Aufklärungsarbeit. „Die Politik muß gerade den jungen Menschen wieder eine Perspektive bieten und versuchen, sie wieder in die Gesellschaft zu integrieren“, vertritt Schulze. Gänzlich falsch wäre es dagegen, den rechten Rand mit Law-and-order-Politik integrieren zu wollen. Dies würde unweigerlich zu einem weiteren Rechtsruck führen, glaubt auch die PDS-Landesvorsitzende Petra Pau.

In der Vergangenheit erzielten in Berlin bei Wahlen einzig die „Republikaner“ nennenswerte Ergebnisse. Bei den letzten Abgeordnetenhauswahlen im Herbst 1995 kamen sie auf 2,7 Prozent, bei der letzten Bundestagswahl 1994 nur auf 1,9 Prozent. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus 1989 errangen die Reps allerdings sensationell 7,5 Prozent. Durch öffentlich ausgetragene Querelen und Austritte aber ging es alsbald bergab. Bei den Bezirkswahlen 1992 kamen die Reps auf 8,3 Prozent. Die DVU trat bislang in Berlin nicht zu Wahlen an. gn