Sinn Féin friedlich – Friedensgegner aktiv

■ Zerreißprobe in Nordirland: IRA und die protestantischen Parteien vor der Spaltung

Dublin (taz) – Eine Woche ist eine lange Zeit in der nordirischen Politik. Schien am vorletzten Wochenende beim Sinn-Féin-Parteitag in Dublin noch eine Mehrheit der Delegierten gegen das Belfaster Karfreitagsabkommen zu sein, das den Konflikt in der Krisenprovinz lösen soll, so wird der politische Flügel der IRA das Abkommen auf einem Sonderparteitag am 10. Mai höchstwahrscheinlich absegnen, nachdem sich die nordirischen Bezirksorganisationen auf einem geheimen Treffen dafür ausgesprochen haben. Für den Besuch des Sinn-Féin-Führers Gerry Adams bei Tony Blair gestern war dies ein wichtiges Signal.

Die Sinn-Féin-Führung wird auch die Zweidrittelmehrheit bekommen, die für eine Satzungsänderung erforderlich ist, damit ihre gewählten Vertreter ihre Sitze in einem nordirischen Parlament einnehmen dürfen. Voraussetzung dafür ist, daß die IRA zustimmt. Das dürfte in den nächsten zwei Wochen geschehen. Danach ist eine Spaltung zu erwarten. Nach Presseberichten sollen sich mehrere IRA-Einheiten in Tipperary geweigert haben, der Führung ihre Waffen auszuhändigen. Sie sollten wegen Kontakten zu Dissidenten, die sich im vorigen Jahr abgespalten hatten, entwaffnet werden.

Im unionistischen Lager ist die Spaltung freilich ungemein größer. Sah es vorletzten Samstag noch aus, als ob Unionisten-Chef David Trimble fest im Sattel säße, nachdem seine Partei das Abkommen mit 72 Prozent der Stimmen angenommen hatte, so wackelt sein Stuhl inzwischen mehr denn je. Sechs der zehn Abgeordneten seiner Partei im Britischen Unterhaus haben sich gegen das Abkommen ausgesprochen.

Daß das Abkommen bei den Volksentscheiden in beiden Teilen Irlands am 22. Mai angenommen wird, ist sicher. Doch bei den darauffolgenden Wahlen für das nordirische Regionalparlament im Juni rechnen sich der radikale Protestantenpfarrer Paisley und seine Anhänger einen bedeutenden Stimmanteil aus, so daß sie das Abkommen von innen sabotieren können. Die erste Gelegenheit dazu bietet sich Anfang Juli, wenn Protestanten wieder durch die katholische Garvaghy Road in Portadown marschieren wollen. In den vergangenen drei Jahren kam es dabei jedesmal zu Straßenschlachten, die Provinz war tagelang lahmgelegt. Auch diesmal brennt die Lunte schon. Die Kommission, die sich mit der Frage der Paraden auseinandersetzen sollte, ist vorige Woche auseinandergefallen.

Auf der Garvaghy Road rechnet man damit, daß die Parade mit Hilfe der Polizei wieder durchgeboxt wird, um Trimble zu stärken. Für diesen Fall hat Sinn Féin angekündigt, auf Konfrontationskurs zu gehen. Das wäre das Ende der neuen nordirischen Regierung, in der Unionisten und Sinn Féin sitzen sollen, und damit wohl auch das Ende des Abkommens.

Die Gegner des Abkommens im Unionistenlager sind gut organisiert. In ganzseitigen Anzeigen in nordirischen Tageszeitungen malen sie ein Schreckensszenario, sollte das Abkommen angenommen werden. Zu ihrer Demonstration am Wochenende kamen neben Paisleys Stellvertreter Peter Robinson von der Democratic Unionist Party auch der Protestantenpfarrer Clifford Peebles. Danach entführten zwei Mitglieder der Loyalist Volunteer Force, die einen Waffenstillstand ablehnt, den 22jährigen katholischen Studenten Kieran Heffron und töteten ihn durch mehrere Schüsse in den Hinterkopf. Ralf Sotscheck