SPD – mit getönten Haaren zum Erfolg

Sozialdemokrat Tiefensee wird Leipziger Oberbürgermeister. PDS-Kandidat deklassiert die CDU  ■ Aus Leipzig Robin Alexander

Leipzig (taz) – „Vor neun Jahren lief ich noch da unten“, sagt Wolfgang Tiefensee und meint die Montagsdemos auf der Leipziger Ringstraße im Herbst 1989. Am Sonntag wurde der 43jährige Sozialdemokrat im zweiten Wahlgang mit 48,4 Prozent zum Leipziger Oberbürgermeister (OBM) gewählt. Der Weg ins höchste Amt der Messestadt hat den ehemaligen Bürgerbewegten verändert. Als Dezernent und Kronprinz des scheidenden OBM Hinrich Lehmann-Grube ist er zum SPD-Parteisoldaten geworden. Den Wahlkampf der vergangenen Monate führte Tiefensee im Schröder-Stil: mit getönten Haaren zum Erfolg. Ganz im Zeichen der New-SPD feierte Tiefensee seinen Erfolg. Als eine von Wahlsieg, Sekt und Wunderkerzen berauschte Mittvierzigerin mit dem alten Kirchenlied „Komm Herr, segne uns“ an 1989 erinnern wollte, stimmten die Genossen rasch „Hoch soll er leben“ an.

Ändern will auch Tiefensee nichts: „Der Kurs stimmt. Ich werde nur ein paar neue Akzente setzten.“ Wirtschaftsförderung sei das Gebot der Stunde, Leipzig brauche Arbeit, Arbeit und noch einmal Arbeit. Neue Jobs erwartet Tiefensee vom Mittelstand, nicht von weiteren Großprojekten.

Der begoßene Pudel des Abends war Peter Kaminski von der CDU. Schon im ersten Wahlgang vor zwei Wochen hatte er hinter dem Konkurrenten von der PDS nur den dritten Platz belegt. Am vergangenen Sonntag erhielt er nur 17 Prozent – während Lothar Tippach von der PDS mit sensationellen 29,8 Prozent fast doppelt so gut abschnitt.

Vergeblich hatte die CDU in Leipzig eine Rote-Socken-Kampagne der besonderen Art gewagt. Auf tiefschwarzen Plakaten, im Stile einer Traueranzeige mahnte die Union: „So viel PDS hat Leipzig nicht verdient!“ Peter Kaminski, als Stadtkämmerer in Leipzig eigentlich wohl gelitten, sei die Anti-PDS-Kampagne nach dem zweiten Wahlgang „aus Bonn und Dresden“ aufgezwungen worden, schimpfte man in Unionskreisen. Kaminski stritt dies ab, erklärte aber: „Noch einmal würde ich diese Plakaten sicher nicht kleben.“ Im übrigen sei die Wahl „ganz klar eine Anti-Kohl-Wahl“ gewesen, so Kaminski.

Wie sehr die Panikmache vor einem sozialistisch Oberbürgermeisters an der Stimmung in Leipzig vorbeigeht, hätte man auch bei der CDU wissen können. Hatten bei der letzten OBM-Wahl 1994 noch Wirtschaftsbosse und hohe Beamte gemeinsam vor dem PDS- Kandidaten Tippach gewarnt, gratulierten ihm die gleichen Leute am Sonntag zu seinem guten Ergebnis.

„Die Polarisierung hat uns genutzt“, erklärte Tippach. Der 61jährige Chef der Stadtratsfraktion hat seriös und in Haushaltsfragen beinahe pedantisch als Oppositionsführer Anerkennung gefunden. Jetzt will er mehr: „Die Möglichkeit in Leipzig Politik ohne die CDU zu machen ist bei dieser Direktwahl bestätigt worden.“ Der siegreiche Wolfgang Tiefensee denkt jedoch gar nicht daran, mit der PDS zusammenzuarbeiten. Die „Haushaltsmehrheit“ für wichtige Beschlüsse im Stadtrat werde er ausschließlich bei SPD und CDU suchen. Auch komme für ihn nicht in Frage, einen PDS- Dezernenten zu berufen. Dafür bleibt der geschlagene Peter Kaminski Stadtkämmerer.

Der Kandidat der Bündnisgrünen, Werner Schulz, hatte sich schon nach dem ersten Wahlgang zurückgezogen, da er nur 8,2 Prozent erzielte. Im Vergleich zum noch verheerenderen Ergebnis der Grünen bei der Landtagswahl im benachbarten Sachsen-Anhalt schnitt Schulz allerdings gut ab, meint Ingo Seidel, grüner Fraktionssprecher in Leipzig.

Ein rechtsextremer Kandidat trat in Leipzig nicht an. Der NPD werden jedoch Chancen bei kommenden Kommunalwahlen eingeräumt. Seidel fürchtet: „Die haben wir bald im Stadtrat.“ Die NPD hat in Leipzig mehr Mitglieder als die Bündnis 90/Die Grünen.