CDU und PDS wollen Höppner

■ Große Koaltion ist wahrscheinlichstes Regierungsmodell für Sachsen-Anhalt

Aus der Ferne besehen ist alles klar: Sachsen-Anhalts Wahlsieger Reinhard Höppner hat keine Alternative zu einer Koalition mit der CDU. Das haben die Bonner SPD- Spitzen dem alten und neuen Ministerpräsidenten beizubringen versucht, obwohl Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering öffentlich wieder und wieder verkündet, Höppner habe freie Hand. Die CDU-Zentrale rechnet ebenfalls fest damit, in Sachsen-Anhalt bald mitzuregieren.

Doch Reinhard Höppner und die Landes-SPD zieren sich. Nicht nur, weil sich Höppner und der CDU-Spitzenkandidat Christoph Bergner nicht leiden können. Die Sozialdemokraten tragen der Union noch immer nach, wie arrogant sie in von 1990 bis 1994 das Land regierte. Und nach der verbissenen Totalopposition der CDU in den vergangenen vier Jahren kann sich kaum jemand eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Bergners Leuten vorstellen.

Das einzige, was Höppner bisher klar ausschließt, ist eine Koalition oder irgendein schriftlicher Vertrag mit der PDS. Und natürlich wird er nicht mit der rechtsextremistischen DVU zusammenarbeiten. Bleiben also eine SPD- Minderheitsregierung, die sich von der PDS stützen läßt, oder eine Große Koalition.

Er wolle eine „starke und stabile Regierung, die das Land voranbringt“, sagte Ministerpräsident Höppner noch am Wahlabend. Die geübten Kaffeesatzleser unter den Journalisten interpretierten dies sofort als Hinweis auf eine Große Koalition. Doch hat Höppner nie einen Hehl daraus gemacht, daß er die Politik der CDU für das genaue Gegenteil dessen hält, was Sachsen-Anhalt voranbringt. Auch kündigte Höppner für die neue Regierung die „kontinuierliche Fortsetzung unserer Politik“ an. Genau das wird aber mit der CDU nicht möglich sein. „Wir werden Gespräche führen“, orakelte der Ministerpräsident gestern. „Es ist nicht angemessen, der PDS jede Gesprächsbereitschaft zu verweigern.“

Die PDS würde das „Magdeburger Modell“, die Tolerierung einer Minderheitsregierung, gern fortsetzen, betont Fraktionschefin Petra Sitte. Um eine Große Koalition zu verhindern, sei man aber auch zu mehr bereit. Vor der Wahl hatte PDS-Star Gregor Gysi den Rücktritt des ungeliebten Wirtschaftsministers Klaus Schucht und einen schriftlichen Vertrag als Bedingungen für eine weitere Zusammenarbeit genannt. Roland Claus, Wahlkampfleiter und strategischer Kopf der Partei in Sachsen-Anhalt, sagte am Sonntag abend, PDS und SPD müßten jetzt „darüber nachdenken, über ihren Schatten zu springen“. Den Schatten der PDS „würde ich jetzt ungern benennen“. Parteichef Lothar Bisky geht davon aus, daß bis September überhaupt nichts passiert. Erst nach der Bundestagswahl werde die neue Regierung in Sachsen-Anhalt gebildet. Die CDU jedenfalls steht zur Koalition bereit. Man warte auf das Gesprächsangebot der SPD, sagte Christoph Bergner, und fügt hinzu: „Persönliche Animositäten dürfen nicht den Ausschlag geben.“

Kommt es wirklich zu einer Großen Koalition, könnte Bergner als Fraktionschef der CDU im Landtag weiterarbeiten und säße so nicht mit an Höppners Kabinettstisch. Dort könnten – relativ problemlos – drei Leute aus dem Wahlkampfteam der Union Platz nehmen. Nach dem Scheitern der Grünen ist das Landwirtschaftsressort frei, das wieder mit Petra Wernicke, der Amtsinhaberin aus der ersten Legislaturperiode, besetzt werden könnte. Ebenfalls zum Ministerium der Grünen Heidrun Heidecke gehörte die Raumordnung. Das Gebiet würde, durch andere Kompetenzen angereichert, zum CDU-Landesvorsitzenden Karl-Heinz Daehre, einst Bauminister, passen. Und weil Höppners Finanzminister Wolfgang Schäfer in der SPD nicht unumstritten ist, könnte er zugunsten des CDU-Finanzpolitikers Wolfgang Böhmer zurückgezogen werden.

Über Personalien sei in der CDU bisher nicht geredet worden, betont Wernicke, gleichzeitig Vizechefin der Landes-CDU. Sehr wichtig seien der CDU aber der Verzicht auf die Einführung des 13. Schuljahres und ein Umsteuern bei der Wirtschaftspolitik. Durch das Aufstellen solch hoher Hürden könnte die CDU Höppner zur Zusammenarbeit mit der PDS nötigen.

Der sachsen-anhaltinische SPD- Vorsitzende Rüdiger Fikentscher beharrt hingegen darauf, daß „noch überhaupt nichts entschieden“ ist. Als erstes müßten die Parteigremien tagen. Wahrscheinlich ist, daß von der Basis ein klares Votum gegen eine Koalition mit der CDU kommt. Mit einem breiten Grinsen erinnert Fikentscher daran, daß „wir vor vier Jahren eine vergleichbare Situation“ hatten, damals hätten „auch alle gesagt, das muß doch so und so sein“. Und dann kam es ganz anders. Toralf Staud, Magdeburg