Vieles geschwärzt, das meiste aber abgedeckt

■ Bisher hat der Journalist Diederichs nur Auszüge seiner Akten beim Verfassungsschutz gesehen. Jetzt klagt er auf weitere Akteneinsicht

Der Schriftverkehr füllt einen ganzen Ordner. Klagen, Beschwerden und Briefe sind darin abgeheftet, Notizen über Telefongespräche und Akteneinsichten sowie einige Fotokopien, auf denen das meiste weiß ist und kaum etwas steht. „Damit zum Beispiel kann man gar nichts anfangen“, sagt Otto Diederichs und nimmt ein Blatt aus dem Ordner. „Demonstration anläßlich des Reagan- Besuchs am 11.6. 82 einschließlich Ausschreitungen im Bereich Nollendorfplatz“ steht darauf, am rechten Rand ist Diederichs' Name zu lesen, sonst ist alles weiß – es wurde beim Kopieren abgedeckt.

Diederichs ist nicht zufrieden mit den paar Kopien, die das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) ihm bislang vorgelegt hat. Seit mehr als zehn Jahren versucht er herauszufinden, was das Amt alles über ihn gespeichert hat. Bislang mit mäßigem Erfolg. Heute könnte sich sein konsequentes Stochern auszahlen. Denn vor dem Verwaltungsgericht wird die Klage verhandelt, die er gegen das LfV eingereicht hat. Ihr Ziel: Die Gewährung einer vollständigeren Auskunft bzw. Akteneinsicht.

Das erste Schriftstück in Diederichs' Ordner datiert vom 14.12. 87. „Damals war bekannt geworden, daß auch die Alternative Liste Observationsobjekt des Verfassungsschutzes war“, sagt Diederichs, der später als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei den Grünen für Polizei und Verfassungsschutz zuständig war. Diederichs klagte zum ersten Mal. „Aber das brachte nur eine Formalauskunft, die Möglichkeit, Akteneinsicht zu bekommen, gab es damals noch nicht.“

Das änderte sich 1989 mit der rot-grünen Koalition. Berliner BürgerInnen – gegen die kein Vorgang mehr anhängig war, wie es im Juristendeutsch heißt – bekamen das Recht, zu erfahren, was der Verfassungsschutz über sie vermerkt hatte. Mit drei Grenzen: Wenn Interessen anderer betroffen sind, der Quellenschutz gefährdet oder die Ausforschung des Amtes zu befürchten ist, konnte das LfV die Auskunft verweigern. Doch das mußte es begründen. Damit hatte Berlin die bundesweit erste und weitreichendste Regelung in Sachen Aktenauskunft – die die Große Koalition allerdings schnell wieder beschnitt.

Diederichs beantragte Akteneinsicht und bekam sie prompt zwei Wochen später. „Ich bekam Kopien, in denen erst vieles geschwärzt, später vieles abgedeckt war“, erinnert sich Diederichs. „Zwei Beamte waren dabei und hatten die Originale.“ Viele Fragen beantworten konnten die Beamten dennoch nicht: „Das waren nicht die zuständigen Sachbearbeiter, die wußten nur, was ihnen fertiggemacht worden war.“ Nachfragen führten oft zu einem neuen Termin. Insgesamt siebenmal hat Diederichs zwischen 1990 und 1992 Aktenauskunft erhalten, siebenmal Akteneinsicht. Von der Teilnahme an Demonstrationen wie der Anti-Reagan-Demo las er dort, aber auch von seiner Arbeit bei der AL und einer persönlichen Einladung zu einem Osterfrühstück. „Ich wußte, auch aus der Akteneinsicht anderer, daß es da noch mehr geben muß“, sagt Diederichs und tippt auf „den Extremismusbereich“. Der Polizeikritiker hatte den „Chamissoladen“ gemietet, in dem sich die Rote Hilfe und die Öffentlichkeitsgruppe zum 2.Juni-Prozeß traf, hatte Kontakte zu den Angeklagten im Schmücker-Prozeß, spürte einem aufgeflogenen V-Mann nach.

Diederichs bohrte weiter beim LfV, „aber die mauerten“. Zwischendurch behauptete das Amt, die Akten seien vernichtet, gab aber später zu, daß das nicht stimmt. Diederichs legte Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Leiter der Arbeitsgruppe Akteneinsicht ein, wandte sich schließlich an den Datenschutzbeauftragten. Dieser ist heute sein Trumpf. Denn der Datenschutzbeauftragte hatte dem heutigen Journalisten schriftlich mitgeteilt, daß aus seiner Sicht die Erteilung weiterer Auskünfte durchaus möglich sei. Daraufhin reichte Diederichs die Klage ein. Sabine am Orde