American Pie
: Das heilige Spiel

■ Im neuen Film befaßt sich Spike Lee endlich mit seinem Lieblingssport Basketball

We all got up to dance

„Du bist wie alle anderen“, sagt das geniale Basketballtalent Jesus Shuttlesworth. „Ich bin nicht wie alle anderen“, entgegnet Jake Shuttlesworth, „alle anderen sind nicht dein Vater.“ Ein Dialog, der den grundlegenden Konflikt in Spike Lees neuem Film „He Got Game“ widerspiegelt, der am Freitag in den USA startet und den Untertitel trägt: „The Father, the Son and the Holy Game“. Seit Jahren lärmt Spike Lee bei den Basketball-Partien der New York Knicks im Madison Square Garden herum, und es war nur eine Frage der Zeit, wann er einen Film über jenen Sport drehen würde, den er über alles liebt.

Die Handlung, die er sich hat einfallen lassen, bestätigt allerdings seine schon in „Get on the Bus“ offenbarte Neigung, ziemlich dick aufzutragen. Die kolportagehafte Geschichte, die aus der Feder eines modernen Karl May stammen könnte, läßt einen Vater, der seine Ehefrau umgebracht hat, auf den von Sportagenten und College-Coaches umschwärmten Sohn treffen, der als gefeierter „Jesus von Coney Island“ auf dem Sprung von der Highschool in die NBA ist. Eine Woche hat Daddy Zeit, den Sprößling zu überreden, statt Profi zu werden aufs College zu gehen, das der Gouverneur des Staates besucht hat. Scheitert er, muß er wieder in den Knast, gelingt der Coup, darf er auf Strafminderung hoffen. Aber, oh Schreck, der coole Jesus will vom Mörder seiner Mutter zunächst nichts wissen.

Natürlich kann er in den 2:11 Stunden des Films die zarte Vater-Sohn-Annäherung dann doch nicht verhindern. Jake wird von Denzel Washington gespielt, Jesus von Ray Allen. Ersterer ist berühmt und aus zahlreichen Filmen vertraut. Letzterer ist auch berühmt, aber auf eine eher unauffällige Art, denn er spielt bei den Milwaukee Bucks. Die wurden 1971 mit Kareem Abdul-Jabbar NBA- Meister, doch seither ging es abwärts, und seit sieben Jahren waren sie nicht mehr in den Play-offs. In dieser Saison lag dies hauptsächlich an Verletzungen der Leistungsträger Glenn Robinson, Terrell Brandon und Tyrone Hill, denn die Bucks sind zu einem starken Team geworden. Nicht zuletzt dank Ray Allen. Mit seinen 19,5 Punkten pro Spiel liegt er in der NBA auf Rang 17, bei den Dreipunktwürfen auf Rang 8, und seine Freiwurfquote von 87,5 Prozent ist gar die drittbeste der Liga. 1996 kam er als Draft Pick Nummer 5 nach Milwaukee, und zuvor hatte er einiges von dem durchgemacht, was Jesus Shuttlesworth im Film erlebt. „Ich las den Text und dachte, das habe ich mal gesagt, ich war in dieser Situation“, erzählt Allen.

„He Got Game“ lebt allerdings nicht nur von seiner schmalzigen Story, sondern natürlich auch von ästhetisch gefilmten Spielszenen und einer authentischen Darstellung der Basketballszene in den USA. „Man wirft einen Hinter-den- Kulissen-Blick auf die Welt eines jungen Sportlers“, sagt Allen, der von Lee ausgesucht wurde, weil er „natürlich ist, ein angeborenes Schauspieltalent besitzt und die Disziplin zu harter Arbeit hat“. Außerdem sieht er trotz seiner 22 Jahre jung genug aus, um als Highschool-Kid durchzugehen.

Ray Allen wiederum meint, bei den Dreharbeiten im letzten Sommer auch im Hinblick auf seine sportliche Karriere profitiert zu haben. „Ich habe am Set gelernt, geduldig zu sein und die Dinge nicht zu überhasten.“ Eigenschaften, die er bei den Milwaukee Bucks ohne Zweifel gut gebrauchen kann. Matti Lieske