Merkel macht Trippelschritte

■ Umweltministerin stellt ihr "Umweltpolitisches Schwerpunktprogramm" vor. Ökoverbände kritisieren es als zu kurz gedacht. Erhöhung des Spritpreises wurde im letzten Moment gestrichen

Bonn/Berlin (taz) – Das Interessanteste an Angela Merkels umweltpolitischem Schwerpunktprogramm war, was nicht darin stand: eine Benzinpreiserhöhung. Das war im letzten Entwurf vom 19. Februar noch anders. Da hatte Merkel in ihrem Umweltplänchen noch vorgesehen, den Benzinpreis bis 2008 jährlich um fünf Pfennig steigen zu lassen. Also grüne Forderung geteilt durch sechs. Lauter schöne Graphiken waren schon vorbereitet über prognostizierte Spritkosten und Verbrauch.

Nun ist auch das der braven Angela Merkel offenbar schon zu verwegen. Als sie gestern in Bonn ihr „Umweltpolitisches Schwerpunktprogramm“ endlich vorstellte, war davon keine Rede mehr. Es heißt lediglich allgemein, daß der Kohlendioxidausstoß des Straßenverkehrs bis 2005 um fünf Prozent sinken soll.

Dafür zieht Merkel bloß eine vom Verkehrsmittel unabhängige Kilometerpauschale in Betracht. Das war's. Mehr wäre wohl auch kaum möglich, bei so einem bescheidenen Ziel, das noch unter dem liegt, was der Verband der Automobilindustrie (VdA) freiwillig zu tun bereit ist: nämlich minus sechs Prozent bis 2005. Ursprünglich hatte der VdA sogar 25 Prozent versprochen, aber nicht einhalten können.

So waren Vetreter von Nabu und BUND vor allem vom Verkehrsteil des Merkel-Plans enttäuscht. Er biete das beste Beispiel dafür, daß das Programm als Ganzes zu kurz greife.

Insgesamt fünf Schwerpunkte sieht die Ministerin vor: Schutz der Erdatmosphäre, des Naturhaushaltes, der Rohstoffe, der Gesundheit und eine „umweltschonende Mobilität“. Dabei enthält das Programm einige hübsche Ideen. Etwa die sieben Umweltbarometer. Ähnliche Maßstäbe wie in der Wirtschaft – Wachstum und Arbeitslosenzahl – will die Ministerin auch für die Umwelt schaffen: CO2-Ausstoß, Luftverschmutzung, Flächenverbrauch pro Tag, der Anteil von Naturflächen und sauberen Gewässern sowie Energie- und Ressourcenverbrauch pro Wirtschaftsleistung.

Beim Flächenverbrauch, der derzeit kein öffentliches Thema ist, traute sich Merkel sogar, ein recht ambitioniertes Ziel zu formulieren: Bis 2020 sollen nicht mehr 106 Hektar täglich überbaut werden, sondern nur noch 30 Hektar.

Der Plan ist entstanden aus den Runden Tischen, zu denen Merkel im Juni 1996 eingeladen hatte und die vor einem Jahr ihre Berichte vorlegten. Ihr Programm wollte die Ministerin aber lieber allein formulieren, um es jetzt zur Diskussion zu stellen. Erst nach der Bundestagswahl soll das Papier dann endlich in die Politik einfließen. Da sind allerdings noch die Wähler davor.

Die großen Naturschutzverbände, die einst an den Runden Tischen saßen, sind jedenfalls enttäuscht. „Merkel beschreibt die Leiden des Patienten Umwelt recht gut“, sagt etwa Dorit Lehrack vom BUND. „Aber sie verrät nicht, wie sie sie kurieren will.“ Das Programm sei daher nur ein „Trippelschritt“ auf dem Weg zu einem richtigen Umweltplan.

Merkel wollte ihr Programm nie „Umweltplan“ nennen, „Planwirtschaft“ habe sie als Ostdeutsche schließlich genug genossen. Es ist aber auch weit von dem entfernt, was unter Ökologen als Umweltplan diskutiert und etwa in Holland oder Süd-Korea bereits an langfristiger Umweltplanung umgesetzt wird. Bei Merkel fehlen die Sanktionen, falls die Ziele nicht erreicht werden. Sie würden dem Programm erst den nötigen Biß geben.

Am schlimmsten aber ist: Es hat dennoch keinen Rückhalt in den anderen Ressorts. Ein Blick nach Brüssel illustriert das: Dort blockiert Wirtschaftsminister Günter Rexrodt gerade erfolgreich ein EU-Programm zur Verdoppelung des Anteils an erneuerbaren Energien bis 2010. „Die Deutschen stellen sich dort als die einzigen Hardliner heraus“, schimpft Greenpeace-Experte Sven Teske. Matthias Urbach, ce

Kasten Seite 9