Von der Witzseite

■ Größter wünschenswerter Betriebsunfall: Dirk Wenzel erzählt Edward Bonds Revolutionsparabel Das Bündel ohne Sentimentalitäten auf Kampnagel

Vor den Gefahren am Arbeitsplatz kann man nicht oft genug warnen. Sobald sich Menschen als Rädchen im Getriebe definiert haben, liegt auch der Gedanke an den größten wünschbaren Betriebsunfall nicht fern: „Revolution“heißt das böse alte Wort. Über viele Stadien ist es in den Status der größtmöglichen Belachbarkeit hinabgesunken. Nun soll es die Witzeseiten der Illustrierten wieder verlassen und erneut in den ernsthaften Wortschatz aufgenommen werden, wenn – was zu wünschen ist – die Mittel des Theaters dafür ausreichen.

Das Bündel des englischen Dramatikers Edward Bond ist ein altes Stück, das die Hoffnung der Geknechteten auf eine bessere Welt thematisiert. Zu diesem Zweck erzählt es eine noch ältere Geschichte: Im China des 17. Jahrhunderts wird am Ufer eines Flusses ein Junge ausgesetzt und von einem Fährmann aufgelesen. Statt Dankbarkeit und Demut zu bezeugen, stachelt das Findelkind die Dorfbewohner auf, und der Grundherr muß um seine Macht fürchten. Zwanzig Jahre hat das Drama schon auf dem Buckel, und was 1978 sakrosankter common sense war, müßte heute eigentlich mühsam erklärt werden: Die Besitzenden sind schlecht, und die Unterdrückten ... – doch ganz so platt ist die Vorlage nicht. Deswegen muß sich Dirk Wenzel, der Bonds Revolutions-Parabel im Rahmen der „Jungen Hunde“auf Kampnagel inszeniert, wenigstens nicht mit Sentimentalitäten abgeben. „Bond schätzt kein Mitleid“, erklärt der Regisseur, der mit dem Bündel seine Diplominszenierung am Institut für Theater, Musiktheater und Film der Uni Hamburg vorstellt. Es ist die Widersprüchlichkeit der Bondschen Figuren, die Dirk Wenzel interessiert; wie die des Hoffnungsträgers Wang, für den es durchaus zur revolutionären Praxis gehört, Kinder in den Fluß zu werfen.

Auf der Suche nach einem heutigen Stück habe er lauter Werke gefunden, die sich mit den Befindlichkeiten von Kleinbürgern beschäftigen und den Blick nicht vom Tellerrand heben können, sagt Wenzel. Unter der leicht angestaubten ideologischen Diktion des Bündels stecke dagegen eine lebendige, poetische Geschichte, die der Ausgrabung harre. Seine Inszenierung setzt einerseits darauf, den Stoff zu komprimieren, ohne den Erzählfaden dabei zu zerschneiden: Bonds Reservoir aus mehreren Dutzend Dorfbewohnern ist auf etwa zehn Figuren zusammengeschrumpft, die in Form von Charakterskizzen von Sarah-Maria Bürgin, Jens Kraßnig und Soenke Kranich dargestellt werden. Zum zweiten wird der sperrigen Sprache des Stückes ein betont körperliches Spiel entgegengesetzt. Text und Körper sollen sich aneinander reiben, und die Verkörperung monotoner Funktionalität in der Arbeitswelt wird sich mit Ausbrüchen von Phantasie abwechseln.

Das bestimmende Thema der Inszenierung ist folgerichtig der Moment der Befreiung, und das heißt hoffentlich: ein richtiger Krach.

Barbora Paluskova

Do, 30. April bis Sa, 2. Mai, 19.30 Uhr, Kampnagel, k4