„Viel Glitzerkram dabei“

■ Bremens Krankenhäuser buhlen um werdende Mütter / Neue Geburtshilfekonzepte werden jetzt kräftig mit Broschüren und Plaketten beworben

Noch drei Wochen, dann ist es soweit: Dann wird Kristin (Name geändert) ihr Kind bekommen – in der Evangelischen Diakonissenanstalt in Gröpelingen, „weil mir die Atmosphäre dort so gut gefallen hat“. Doch bevor sie sich für das Diako entschieden hatte, stand die werdende Mutter vor der Qual der Wahl: In Bremen konkurrieren immerhin fünf Krankenhäuser um eine konstante Zahl von Frauen, die in der Klinik entbinden wollen. „Die Geburtshilfe ist ein hart umkämpftes Gebiet in Bremen“, bestätigt ein Oberarzt. Und diesen Kampf nehmen die Kliniken jetzt verstärkt mit Werbung auf.

So wirbt das Krankenhaus St. Joseph-Stift seit letzter Woche mit einer Hochglanzbroschüre für seine neue Elternschule – und ein paar Tage vorher verkündete das Krankenhaus Links der Weser stolz: „Das LdW bewirbt sich für die UNICEF-Plakette: Babyfreundliches Krankenhaus.“

Der Hintergrund für das verstärkte Rühren der Werbetrommel: Laut Bremer Krankenhausplan müssen wegen rückläufiger Geburtenzahlen in den Kinderkliniken der einzelnen Häuser bis zu 50 Betten abgebaut werden. Jetzt fürchtet jede Klinik um ihre Pfründe. Denn die Häuser wissen genau: Wenn im Kinderklinikbereich Betten gestrichen werden, könnten auch die angeschlossenen Geburtshilfeabteilungen dran glauben.

Ein Konkurrenzdruck, über den sich einige Designer freuen: Blau-gelb-rosa-weichgezeichnet präsentiert sich die Broschüre, die jetzt in Wartezimmern von Gynäkologen ausliegt und Frauen in das St. Joseph-Stift locken soll. In der beworbenen Elternschulewird es jetzt jede Menge neue Kurse wie Babymassage oder Rückbildungsgymnastik geben.

Auch das Krankenhaus Links der Weser setzt auf mehr Außenwirkung – und will mit harten Auflagen wie „keine Werbung für Babynahrung und keine Flaschen und Sauger in der ganzen Klinik“jetzt eine UNICEF-Plakette erwerben – um sie sich als künftiges Aushängeschild für das „stillfreundlichste Krankenhaus“an die Wand zu hängen.

Doch nicht nur mit Werbematerial, sondern auch mit einer neuen „familienorientierten und freundlichen“Gestaltung wollen die Kliniken beeindrucken: So haben viele Häuser in den letzten Jahren ihre Kreißsäle komplett umgebaut. Links der Weser hat neue runde Kreisbetten aufgestellt, es gibt Geburtshocker- und seile. Die gesamte Technik bleibt im Schrank versteckt. Und im Stillzimmer stehen drei gemütliche Plüschsessel und frische Blumen auf dem Tisch. Für wehengeplagte Mütter gibt es eine gekachelte Wärmebank, die vor den Kreißsälen zum Rückenwärmen einlädt. Außerdem hält die Klinik ein besonderes Highlight vor: In einem Kreißsaal strahlt über dem Kreißbett auf Wunsch ein Sternenhimmel bei der Geburt.

„Vieles ist dabei auch Glitzerkram oder Effekthascherei“, kritisiert Oberarzt Armin Neumann vom Diako-Krankenhaus, „bei uns kommt es mehr auf Inhalte an.“Das heißt: Das Diako setzt auf eine frauen- statt medizinorientierte Geburtshilfe. Die Frau soll „selber entscheiden, was sie haben will“, erklärt der Oberarzt. Und das nicht nur bei der Geburt, wenn es zum Beispiel um die jeweiligen Gebärpositionen geht, sondern auch lange davor bei der Klinikauswahl.

So hat die werdende Mutter Kristin einfach mehrere Krankenhäuser angeschaut. „Ärzte und Hebammen müssen gut miteinander harmonieren“, das war für sie das entscheidende Auswahlkriterium – neben freundlich statt karg-weiß gestalteten Kreißsälen und breiten statt schmalen Kreißbetten. Beim Thema Geburt seien die „Ansprüche der Frauen eben gewachsen“, weiß eine Hebamme. Und darauf haben die meisten Krankenhäuser auch schon reagiert. Doch wegen der auf Konkurrenz gebauten Zukunft tun sie nicht einfach nur mehr Gutes, sie reden jetzt auch darüber.

Katja Ubben