Die Schreibmaschinen von Dr. Lutz Rolf

Berliner Zimmer, Teil 10. Eine Besuchsreihe  ■ Von Falko Hennig

Der Witz für Sie, Sie müssen ja irgend 'nen Witz finden, Uffhänger oder so. Vor 15 Jahren war schon mal jemand hier von der B.Z. Ich denke, dann melden sich Leute und sagen: Ick hab' noch 'ne alte Schreibmaschine, wollen Sie die nicht geschenkt haben? Bei „Wetten daß...?“ waren mal ein Augsburger und ein Österreicher, die haben an den Geräuschen erkannt, was das für Maschinen sind. Bei denen hat das ooch geklappt, da sind ein paar schöne Maschinen gekommen. Ick wollte bloß sagen, der von der B.Z. hatte sich denn über die Namen gewundert: Die hießen „Gisela“ und „Gerda“ und „Monika“. Nachher hatt' er 'ne Überschrift gemacht: „Der Mann mit den 60 Mädchen im Keller“.

Insgesamt habe ich zwischen 80 und 100 Schreibmaschinen, würde ich schätzen. Mein Name ist Lutz Rolf, mit Dr. vor, das ist aber nicht wichtig. Ick bin Ingenieur, interessier mich so für Technik und Technikgeschichte. Denn hatt' ick 'n Buch über die Geschichte der Schreibmaschine gefunden, von 1920. Da waren denn ooch Bilder drin, Flohmarktgänger bin ick ooch. Da hab' ick denn mal irgendeene Maschine gesehen, denn zwei und drei, und denn ging's los, weil dieses Buch 'ne richtige Gebrauchsanweisung ist.

Ich hab' mich aber nach einer gewissen Zeit spezialisiert. Allein Schreibmaschinen gibt's ja so 300, 400 verschiedene, das ist zu viel. Denn dachte ich, sammel ich irgendwas, wo ich besser ran kann. Das waren erst deutsche, nachher hatte ich mich auf Berliner spezialisiert. Und jetzt habe ich mich wieder geöffnet. Im Augenblick sammel ich Kleinschreibmaschinen, Kofferschreibmaschinen, da habe ich nebenan einen ganzen Haufen. Die Berliner hab' ick denn wieder teilweise abgestoßen.

Koffermaschinen, da forsche ich drüber – det klingt ein bißchen großkotzig, also: da befasse ich mich mit. Ick sammel nicht bloß und stell' die hin, sondern ich untersuche die und ihre Geschichte. Ich publiziere und verarbeite das, sagen wir mal, „wissenschaftlich“, in Anführungsstrichen. Wenn ick das dann verarbeitet habe, dann such' ick mir wieder andere Maschinen raus, womit ich mich befasse. Im Augenblick ist es die Geschichte der Kleinschreibmaschine.

Kleinschreibmaschinen, das sind Reiseschreibmaschinen. Die allererste, das war die hier, „Standard Folding“, 1906. Da hatten sich die Leute noch unheimlich Gedanken gemacht, wie die besonders transportabel werden könnte. Diese ist klappbar, deshalb „Folding“, so paßte die in eine ganz kleene Kiste. Dann waren immer drei Typen auf einem Hebel, und sie ist aus Alu. Für 1906, für diese Zeit war es eine Novität. Die kostete damals 300 bis 400 Mark, fast wie die großen. Die „Standard Folding“ wurde dann in Berlin von der Piccola-Schreibmaschinen-Gesellschaft vertrieben, ist aber genau die gleiche. Das war früher wie heute ooch, daß ein Fabrikat unter sieben verschiedenen Namen verkooft wird. Keiner weiß, ob jetzt der Kühlschrank von Bosch oder von Siemens ist. Das war die Urmutter von 1906, die Nachfolger hier waren dann die „Erika“ zum Klappen, das Modell 1. Dann die „Perkeo“, dann gab's von Adler die Klein-Adler, die ist sehr ähnlich zur großen Adler. Die späteren Klein-Adlers sind wieder anders.

Hier habe ich übrigens eine Spezialsammlung „Erikas“. Die muß ich noch auswerten, weil es vier verschiedene Modelle von der Klapp-Erika gab. Wobei aber heute nichts mehr bekannt ist, worin die sich unterschieden. Im Augenblick habe ich so 10 oder 11 Maschinen, wo ich schon Unterschiede festgestellt habe. Da schreibe ich noch was drüber.

Das ist ein bißchen mehr als nur Hobby, nur Sammeln. Ich vertiefe das, ich befasse mich mit den historischen und technischen Hintergründen und arbeite das auf. Über Frister & Rossmann habe ich einen Artikel geschrieben, weil es völlig unklar war, wie hoch die Auflage war, wann welche Modelle gebaut wurden usw. Denn hatt' ich mir insgesamt zwölf Maschinen zusammengekauft im Laufe der Jahre, alles verschiedene Modelle, die waren umheimlich teuer. Davon habe ich im Augenblick noch sieben. Das war alles Eigenfinanzierung, als Hobby. Aber es ist einfach der Anreiz, da was rauszukriegen, weil es viele Dinge gibt, die noch nicht bekannt sind. Nicht von allgemeinem Interesse, aber mir macht's eben Spaß.

Berliner Maschinen, da stehen hier noch Relikte, da hab' ick ooch 'nen Haufen von. Das ist also die älteste Typenhebelmaschine, die in Deutschland, hier in Berlin, hergestellt worden ist. 1892, 'ne ganz frühe hier mit der Nummer 300, Frister & Rossmann. Dann gibt es das Modell 3, das ist ooch so 'ne Skurrilität, die ist über 30 Jahre verkooft worden. Die war billig, da kann man nicht schnell mit schreiben. Denn haben die sich so 'n Ding gekauft, kostete 150 Mark gegenüber 400 für so 'ne große hier. Die teuerste von denen jetzt war 4.000 Mark, da sind bloß 3.000 hergestellt worden zwischen 1892 und 1910, also in fast 20 Jahren. Da sind natürlich nicht viel erhalten gewesen, und ich war ja scharf da drauf, weil ich was drüber schreiben wollte und hab' alles gezahlt. Aber die andern sind nicht scharf, die Sammlerkollegen.

Sonst gibt's hier noch so Sonderangelegenheiten, diese Maschine sieht sehr unattraktiv aus, das ist 'n Prototyp, Modell 8 von Mercedes, ungefähr 1930, da sind bloß 200 Stück von gebaut worden. Die ist auf 'nem Flohmarkt aufgetaucht. Als Kenner kann man's identifizieren, jeder andere würde sagen: Ja ja, ist 'ne 50-Mark-Angelegenheit. Die ist nicht mehr in Serie gegangen, weil der Krieg kam, und dann wurden Kriegsprodukte gemacht. Jeder normale Mensch hätte gesagt: 30, 50 Jahre, fertig, wird weggeschmissen. Dazu muß es Sammler geben, daß die Dinge erhalten bleiben.