Ungewöhnliche Bündnisse gegen die Nato

In dieser Woche stimmt der US-Senat über die Aufnahme der drei Beitrittskandidaten in das Militärbündnis ab. Die Zustimmung gilt als sicher, aber die Debatte darüber verläuft geradezu leidenschaftlich  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Das ist schon eine bemerkenswerte Koalition, die sich in den USA gegen die Erweiterung der Nato zusammengetan hat. Sie reicht von Ben Cohen, dem ökologisch bewußten Hersteller von Ben & Jerry's Eiskreme aus Vermont über die Abtreibungsgegnerin Phyllis Shafly bis zum ehemaligen Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im Senat, Sam Nun. Das wäre die außerparlamentarische Opposition. Sie hat eine Kampagne gestartet, um der innerparlamentarischen Opposition unter die Arme zu greifen. Auch die stellt ein ungewöhnliches Bündnis sonst unversöhnlicher Gegner dar.

Gegen die Nato-Erweiterung sind Amerikas liberalster und konservativster Senator, die Herren Paul Wellstone aus Minnesota und Robert Smith aus New Hampshire. Doch sie alle werden die Zustimmung zur Nato-Osterweiterung nicht verhindern – eine Zweidrittelmehrheit ist im Senat so gut wie sicher –, dafür aber wird im sonst gähnend leeren und langweiligen Gremium geradezu leidenschaftlich debattiert. Mit der Abstimmung über die Aufnahme von Polen, Ungarn und Tschechien ist im Laufe dieser Woche zu rechnen.

„Mit der Nato-Erweiterung schaffen wir eine internationale Notrufnummer nach dem Motto ,Sicherheitskummer, Nato-Nummer‘“, gab Senator John W. Warner aus Virginia zu bedenken. „Mit dieser Argumentation stelle er die Nato überhaupt in Frage“, wandte der eher liberale Senator Josef Biden aus Delaware ein. „Das ist wie Jalta noch mal von vorne“, beschwört Robert Smith die Erinnerung an die Aufteilung der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg. „Wieder machen wir die einen zu Verliererländern und die anderen zu Gewinnern.“ Dramatischer noch sieht Senator Daniel P. Moynihan, ein eher liberaler Demokrat aus New York, die Lage: „Die Nato-Erweiterung kann uns in einen nuklearen Krieg mit Rußland führen.“

Dieses Arguments bedient sich auch eine Anzeigenkampagne der außerparlamentarischen Opposition: Rußland könnte sich in die Ecke gedrängt fühlen, und alle Versuche, das nukleare Arsenal abzubauen, wären zum Scheitern verurteilt. Andere wiederum spekulieren, daß die Polen doch eigentlich die besseren Verbündeten wären als die ewig querschießenden Franzosen.

Und was denken die Leute draußen im Land? Das „Program on International Policy Attitudes“, ein Forschungsinstitut an der University of Maryland, das regelmäßig die Meinung der Bevölkerung zu außenpolitischen Fragen untersucht, hat herausgefunden, daß 61 Prozent der Amerikaner für die Nato-Erweiterung seien – so sie je davon gehört haben. Am stärksten wird die Zustimmung, wenn die Beitragskandidaten genannt werden. 73 Prozent sind für die Aufnahme Polens – wahrscheinlich eine Folge der großen Zahl von Amerikanern polnischer Abstammung. Auch gibt es eine Mehrheit für eine Erweiterung über die ersten drei Kandidaten hinaus, wobei die baltischen Staaten ziemlich weit unten rangieren. Als nächste Kandidaten kämen eher Rumänien und die Ukraine in Frage.

Eine Mehrheit der Amerikaner befürwortet es auch, Verteidigungsverpflichtungen in einem erweiterten Bündnis zu übernehmen. Bei den Motiven für die Zustimmung zur Nato-Erweiterung dominiert das Bedürfnis, niemanden ausschließen zu wollen. Nur 29 Prozent wollen die Nato durch die Aufnahme neuer Mitglieder stärken, 63 Prozent aber wollen durch die Nato-Erweiterung die alten Frontstellungen aus der Zeit des Kalten Krieges aufheben.

Entsprechend wären 51 Prozent der Amerikaner bereit, auch gleich Rußland in die Nato mitaufzunehmen. Gleichwohl ist die Zahl derer gestiegen, die in Rußland einen möglichen Gegner sieht. Hier wirken sich die jüngsten Meinungsverschiedenheiten in der Behandlung des Irak aus. Insgesamt hat allerdings nur etwa ein Drittel der Amerikaner überhaupt davon gehört, daß die Nato erweitert werden soll.