Neue Typen in Rußlands Kabinett

Junge Fachleute ziehen in die russische Regierung ein. Doch sieben Minister waren schon im alten Kabinett vertreten. Nemzow wird Vertreter Kirijenkos  ■ Aus Moskau Klaus-Helge Donath

Rußlands Regierungsmannschaft ist fast wieder komplett. Nach sechs Wochen Interregnum ernannte Präsident Boris Jelzin die neuen Chefs der Schlüsselministerien. Zuvor hatte sich der Kremlchef mit dem jungen Premier Sergej Kirijenko getroffen und ihm aufgetragen, noch einige Korrekturen vorzunehmen sowie die zukünftigen Aufgabenbereiche einzelner Ministerien zu konkretisieren. Denn mit der Kabinettsumbildung soll gleichzeitig eine Strukturreform des Regierungsapparates einhergehen. Die Ergebnisse werden heute erwartet.

Insgesamt fällt die Erneuerung des Kabinetts, dessen Vorgänger Jelzin im März entlassen hatte, weniger spektakulär aus, als es der hitzige Streit zwischen Präsident und Parlament in den letzten Wochen erwarten ließ. Erst im dritten Wahlgang segneten die Gesetzgeber Jelzins Wunschkandidaten Kirijenko als Premierminister ab.

Sieben Minister der alten Regierung gehören auch dem neuen Kabinett an. Außenminister Jewgenij Primakow, der Chef des Verteidigungsministeriums Igor Sergejew und der erst vor wenigen Monaten ernannte 35jährige Finanzminister Michail Sadornow konnten ihre Stellung halten. Sergej Stepaschin, der dem vorigen Kabinett als Justizminister diente, wurde im Amt des Innenministers bestätigt, das er bereits kommissarisch ausübte.

Der ehemalige erste stellvertretende Vizepremier Boris Nemzow bleibt der Regierung ebenfalls erhalten. Vor einem Jahr holte er Kirijenko aus Nischni Nowgorod nach Moskau und ernannte ihn zum stellvertretenden Energieminister. Der 38jährige Königsmacher Nemzow bekleidet nun den Posten des stellvertretenden Vizepremiers und übernimmt die Funktionen des Ministerpräsidenten, sobald der sich außerhalb Moskaus befindet.

Ein wenig überraschend kam die Ernennung des stellvertretenden Finanzministers Viktor Christenko zu einem der drei Vizepremiers. Der 40jährige stammt aus Tscheljabinsk im Ural, wo er einige Zeit als regionaler Vertreter Jelzins wirkte, bis ihn der geschaßte Vizepremier Anatoli Tschubais vor einem Jahr in die Hauptstadt holte. Er befaßt sich mit dem höchst sensiblen Bereich der finanziellen Transferleistungen zwischen dem Zentrum und Rußlands Regionen. Ähnlich wie Kirijenko und Nemzow repräsentiert Christenko einen neuen Typ von Ökonomen und Verwaltungsfachleuten, deren Nachteil jedoch darin besteht, daß sie im Zentrum weder über eine politische noch soziale Machtbasis verfügen.

Die Gemeinschaft der Unabhängigen Staaten (GUS) ernannte auf ihrer gestrigen Sitzung in Moskau den ehemaligen stellvertretenden Leiter des russischen Sicherheitsrates, Boris Beresowskij, zu ihrem Sekretär. Der Chef eines unüberschaubaren Industriekonglomerats und Dämon mit ungezügelten politischen Ambitionen gilt als Verbündeter Iwan Rybkins. Dessen Ernennung zum dritten Vizepremier mit Wirkungsbereich GUS wird ebenfalls noch diese Woche erwartet.