Eierkrauler trifft Trinkerin

■ Spiel im Spiel im Spiel zu viel: „Perfect Bodies“im Jungen Theater

Die Wolfgang Spielvogel muß offenbar ziemlich abgebrüht sein. Er, so vertraute der Autor, Dramaturg und Regisseur einmal der Frankfurter Rundschau an, sei daran gewöhnt, daß seine Stücke nicht oder nur schwer verstanden werden. Nach zweieinhalbstündiger Ansicht des Spielvogel-Stückes „Perfect Bodies, Perfect Minds“jetzt im Jungen Theater läßt sich dieser Satz von der Gewöhnung nur als freundliche Umschreibung für „Schnurzpiepegal, was andere denken“deuten. Denn manche Menschen werden einfach nicht klüger mit der Zeit.

Dabei hatte sich eine Zusammenarbeit des Jungen Theaters Bremen mit dem Frankfurter Projekt „Primadonna, Schwerer Held“, in dem Wolfgang Spielvogel sowie die Schauspielerin und als Regisseurin tätige Barbara Englert gemeinsame Sache machen, durchaus angeboten. Damals im Herbst 1996, als sich Spielvogel von der „Rundschau“portraitieren ließ, zeigten die beiden beim Festival „Politik im freien Theater“in Bremen ihr gleichnamiges Kelly-Bastian-Stück und gewannen einen Preis damit. Im selben Herbst brachten sie in Frankfurt die zweite Fassung von „Perfect Bodies, Perfect Minds“heraus. Wie „Primadonna, Schwerer Held“ist auch das Stück mit dem Untertitel „Phantasien für zwei Schauspielerinnen“und dem Unter-Untertitel „Szenen aus der Multioptionsgesellschaft“eine Collage. In der dritten, der „Bremer Fassung“, führte die Englert Regie, Spielvogel zeichnet als Dramaturg.

Und sie tanzen einen Foxtrott. Nomena Struß als Versicherungsvertreter Mister Icks und Liz Hencke als Hausfrau Marlene. Das heißt: Nomena Struß spielt Nomena Struß, die einen Versicherungsvertreter namens Mister Icks spielt. Und Liz Hencke spielt Liz Hencke, die Marlene spielt. Und einen Arzt. Und noch einen Arzt. Und eine Weinkönigin. Und ein ganzes Gewimmel und Gewese von Figuren. Denn wir haben es mit einer der anspruchsvollsten Formen der Theaterkunst zu tun: Der inszenierten Improvisation.

Durch die Vorlage zieht sich der rote Faden einer („improvisierten“) Romanze zwischen Nomena „Icks“und „Marlene“Hencke. Daran knüpft, webt, pflastert, bombt Wolfgang Spielvogel Komödeleien verbalen Sexprotzens und tatsächlichen Versagens (Stichwort: Eierkrauler trifft Trinkerin), Episches am Beispiel des Kampfes um die Rüdesheimer Destillerie „Asbach“(Stichwort: Globalisierungsfolgen), Zitate aus Film, Funk und Fernsehen (Stichwort: Zapper-Ära), Szenen aus der gynäkologischen Abteilung (Stichwort: Gentechnik) und auch noch Schunkeleien aus der Gaudi-Großherberge „Sauerlandstern“(Stichwort: Freizeitindustrie). Es ist ein Drunter und Drüber von Thesen/Phrasen/Späßen, und zur Not helfen Sätze wie „Das ist mein Text“oder „Schnitt. Blick durch ein Fenster. Wir beide beim Sex ... Ich bin Stephen King“aus einer der vielen Sackgassen. Doch wer das Stück nicht als Steinbruch auffaßt, überhebt sich daran.

Von einer Regie ist nur die Lichtführung sichtbar, ansonsten überschätzen alle Beteiligten ihre Möglichkeiten und glänzt der Dramaturg-Autor (der seine Stücke ohnehin besser nicht selbst dramatisieren sollte) durch Abwesenheit. Zwar gehen Nomena Struß und Liz Hencke durch die Textflut bis zum Äußersten. Doch sie erspielen sich kaum einen Dialog untereinander, geschweige denn, daß sie spielen können, daß sie sich all das improvisierend ausdenken. In ungezügelter Eitelkeit wird – angefangen beim Rappen weit unter Grips-Theater-Niveau und nicht aufgehört bei lachhaften Dialekt-Imitationen – aus dem Schauspiel bloße Selbstdarstellung, und das ist den beiden auf der Bühne nicht mal anzukreiden. Denn es war offenbar niemand da, der durch Striche im Stück, Druck aufs Tempo und eine auch nur annähernd erkennbare Schauspielerführung den Überblick behalten hat. So lichten sich die Reihen in der Pause. Von Freuden und Angehörigen viel Beifall.

Christoph Köster

Weitere Aufführungen: 2. und 3. Mai, 6. bis 10. Mai um 20 Uhr