Reden für den politischen Wechsel

■ Tausende am 1. Mai für „Arbeit und soziale Gerechtigkeit“

Im Rollstuhl, im Blaumann und mit SUCHE-ARBEIT-Inseraten auf dem Bauch waren gestern mittag nach Politzeiangaben 6.000 BremerInnen zur DGB-Kundgebung zum 1. Mai auf den Marktplatz gekommen. Im Mittelpunkt der über einstündigen Reden stand die DGB-Forderung des Wahljahres '98: „Deine Stimme für Arbeit und Gerechtigkeit.“

Vor dem Hintergrund des Stimmengewirrs einer großen Wiedersehensfeier unter alten Freunden, beschworen die Rednerinnen des Tages, die Bremer DGB Kreisvorsitzende Helga Ziegert, DGB-Bundesvorstandsmitglied Regina Görner und zuletzt – vor deutlich bröckelnder ZuschauerInnenkulisse – die Bremerin Dorothee Fetzer vom DGB-Arbeitskreis gewerkschaftlicher Arbeitsloser: Ohne den Politikwechsel in Bonn werde es den notwendigen gesellschaftlichen Umbau für mehr Arbeit und soziale Gerechtigkeit nicht geben.

Neue Arbeitszeitmodelle seien ebenso überfällig wie Überstunden-Abbau, das Ende einer Steuerpolitik, die Unternehmen begünstigt und eine generelle Ausbildungsplatzumlage. Nur so sei zudem die Abwendung von immer mehr Jugendlichen von der Demokratie – wie in Sachsen-Anhalt – zu verhindern.

Über den nationalen Tellerrand hinaus blickten die Rednerinnen dabei allenfalls auf europäische Nachbarländer wie Dänemark und Holland, die bei der Verringerung von Massenarbeitslosigkeit beispielhaft neue Wege gehen; es schien als hätte der DGB sich dem Schröder'schen Wahlkampf-Diktum „mit Außenpolitik gewinnt man keine Wahlen“verschrieben und das Thema Globalisierung völlig ausgeblendet. Nur hin und wieder schallten die Forderungen eines kleinen Grüppchens über den Platz: „Arbeit, Arbeit“und „internationale Solidarität“.

Ganz anders hatte zuvor, im ökumenischen Gottesdienst zum Tag der Arbeit in der katholischen Gemeinde St. Johann der katholische Geistliche Dr. Wolfgang Gleixner vom Bischöflichen Generalvikariat Hildesheim, seine ZuhörerInnen gemahnt, sich von der „pseudoreligiösen Inbrunst“, mit der die Ankunft eines freien Weltmarktes erwartet werde, nicht anstecken zu lassen.

Dies sei eine neue Form von „Fundamentalismus“, der den Visionen von einer humanen und gerechten Gesellschaft, dem biblischen Motiv für die Zukunft einer Welt, gefährlich werde, warnte er. An die Bereitschaft zum Teilen hatte zuvor auch BSAG-Arbeitsdirektor Hubert Resch appeliert: Die Durchsetzung von Altersteilzeit-Modellen in Betrieben bedeute für Arbeitnehmer auch Verzicht. ede