Die Macher des Designs

■ DesignerIn kann sich jeder nennen. Doch eine solide Ausbildung wird immer gefragter

Berühmt werden mit Design! Reich! Sich selbst verwirklichen! Einmal bei Ikea nicht nur vor den Möbeln, Leuchten und Gläsern stehen, sondern mit eigenem Namen als DesignerIn auf den Anhängern und Aufstellern an den Schränken, Teekannen, Wanduhren und Relaxsesseln. Wie Anki Spets aus New York, Susan Pryke aus London oder der Stockholmer Magnus Lindström, die zusammen gleich 75 Produkte für das aktuelle Sortiment gestalten durften: „Schöne und praktische Dinge für 365 Tage im Jahr, mit denen das Essen zubereitet und dekorativ serviert werden kann“, heißt es im neuesten Katalog. Drei junge DesignerInnen, die es geschafft haben. Jedenfalls, und das ist nicht wenig, für einen Ikea-Jahrgang.

Mehr als 10.000 StudentInnen lassen sich zur Zeit in Deutschland an Kunst- und Fachhochschulen sowie an Universitäten zum Designer ausbilden. Ihr Ziel: bei Produzenten ankommen, in der Designszene mitmischen, sich einen Namen machen. Und Jahr für Jahr immatrikulieren sich rund 2.000 neue Produkt- und Kommunikationsdesign-Zauberlehrlinge.

Dennoch, um sich DesignerIn nennen zu dürfen, muß man kein Diplom in der Tasche haben. Manch eine(r) setzt sich hin, bastelt den vermeintlichen absoluten Zeitgeistknaller, klebt das Etikett „Design: Derundder/Dieunddie“ drauf und bietet das Ding irgendwo an: einem Hersteller oder direkt dem Kunden, etwa auf Kunst- und Trödelmärkten. Warum nicht. Schließlich ist die Berufsbezeichnung in Deutschland nicht geschützt.

Bei Ikea freilich, bei all den anderen Unternehmen, auch bei den Kunden, die auf qualitativ hochwertige, verläßliche Firmen- und Produktkultur setzen, können die im Fahrwasser des professionellen Designs paddelnden Badewannenkapitäne nicht landen. Vielleicht bei manch einem orientierungslosen Mittelständler, der Styling mit Design verwechselt und spontanes Nischenmarketing mit Produktmanagement. Aber auch hier wird es für Scharlatane immer schwerer, denn regionale Designzentren, Industrie- und Handelskammern, Designer-Berufsverbände und Hochschulen informieren und beraten seit geraumer Zeit kleine und mittlere Firmen in puncto Designmanagement. Denn gerade sie sind oft nur mit Hilfe von professionell entwickeltem Design konkurrenzfähig.

Professionelle, funktional und ästhetisch stimmige Produktgestaltung, die langlebig ist und ihren Zweck erfüllt, ist nur von Leuten zu erwarten, die das Hand- und Denkwerk gründlich studiert haben: Sie müssen etwa sicher und kreativ zeichnen können, mühelos vom Zwei- ins Dreidimensionale (und umgekehrt) umdenken, kulturelle, industrielle und wirtschaftliche Traditionen und Zukunftstendenzen kennen, Materialeigenschaften und Fertigungstechniken kennen, die Gesetze von Ergonomie und die Erfordernisse der Ökologie, Grundlagen des Marketings und Produktmanagements beherrschen. Denn Industriedesign ist mehr als Kosmetik für Waren, Kommunikationsdesign ist mehr als Outfit-Dienstleistung für Unternehmen oder Kommunen.

Design zu machen, ist eine zunehmend interdisziplinäre, komplexe Angelegenheit. Designspezialisten, das sind vielfältig ausgebildete Generalisten. Auch der Modedesigner kommt schon lange nicht mehr mit Zeichenblock, Schere, Nadel und Faden aus.

Wo und wie lernt man's aber, das Entwerfen der gefälligen und nützlichen Dinge für den individuellen und den öffentlichen Raum, für Job und Freizeit, für den Alltagsgenuß und das Räkeln im Luxus? In Deutschland gibt es mehr als 50 einschlägige Hoch- und Fachhochschulen und Universitäten. Immer mehr Privatkunstschulen kommen hinzu. Nach Abschluß des Studiums garantiert die Berufsbezeichnung „Diplom-DesignerIn“ einem künftigen Auftraggeber zumindest eines: Er hat es mit kompetenten Fachleuten zu tun. So viele Ausbildungsstätten für angehende Industrie-, Kommunikations-, Mode- und Interieurgestalter existieren, fast ebenso vielfältig sind die inhaltlichen Schwerpunkte und die – zum Teil kontroversen – methodischen Wege zum Abschluß.

Wer sich für ein Designstudium an der Fachhochschule Köln etwa oder der Hochschule der Künste in Berlin bewerben möchte, sollte sich daher unbedingt informieren, was dort wie gelehrt wird und welche Zugangsanforderungen man mitbringen sollte. An der Hochschule der Künste, der Kunsthochschule Weißensee oder der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin braucht man ohne „Mappe“, also den Nachweis künstlerisch-kreativer Vorbildung, gar nicht erst anzutreten.

In Köln nützt ein solches Mappenwerk den Studienbewerbern weniger. Zulassungsvoraussetzungen sind dort ausgeprägte kommunikative und kreative Fähigkeiten. Und die müssen in einer „Hausaufgabe“ und einem ausführlichen Aufnahmegespräch unter Beweis gestellt werden. Im Gegensatz zu klassischen Kunsthochschulen, sind in der Regel an Fachhochschulen vor allem Studienbewerber mit praktischer, nicht nur technisch oder kaufmännisch geprägter Berufserfahrung gefragt. So werden in Köln Designer und Designmanager auch aus gelernten Tischlern, Bäckern, Köchen und Artisten „gemacht“.

Ein Design-Diplom, so der Gründer des Fachbereichs, Michael Erlhoff, „kann auch jemand schaffen, bei dem es mit dem Zeichnen nicht sehr weit her ist, der aber seine Stärken im Prozeßdenken und dessen praktischem Umsetzen hat, beispielsweise im ökologischen Design oder Designmanagement“.

Übrigens: Nicht wenige der heute international erfolgreichsten Designer haben vor ihrem Designstudium eine technische, naturwissenschaftliche oder betriebswirtschaftliche Ausbildung gemacht. Zum Beispiel der deutsche Mailänder Richard Sapper, Frog-Design-Chef Hartmut Esslinger oder der Japaner Tsunemitsu Tanaka. Auch deshalb sind ihre Kreationen rundum das, was ein kluger Theoretiker einmal als Industriedesign definierte: „technische Innovation plus ästhetischer Mehrwert“. Günter Höhne