Hinter dem Rücken der Mutter

■ Der Transport von Kindern im Anhänger ist sicherer als auf dem Rad im Kindersitz. Jetzt gibt's das erste Serienmodell mit Auflaufbremse. Die Kleinen sind begeistert - so oder so

Sie haben zwei Beine, und sie können auch schon damit laufen. Doch lieber lassen sie sich fahren: Kinder 98 im Alter bis zu sechs Jahren. Über 100.000 werden im Kinderanhänger, der modernen Sänfte für den Nachwuchs, von ihren Eltern über Deutschlands Straßen gezogen.

Wer heute schnell und umweltfreundlich im Nahbereich mobil sein will, nutzt häufig das Fahrrad. Mit Kindern ist das oft schwierig. Sie sind noch zu klein für den Fahrrad-Kindersitz, weil sie noch nicht sicher genug sitzen. Oder sie sind schon zu groß. Immer mehr Vierjährige haben schon zu lange Beine oder sind zu schwer für die angebotenen Kindersitze auf dem Fahrrad. Deren Grenze liegt bei 22 Kilo (ein niederländisches Modell trägt Kinder bis 25 Kilo). Je schwerer die Kinder sind, desto schwieriger wird das Fahren mit ihnen hinten auf dem Fahrrad.

Sind gar zwei Kinder zu transportieren, lassen die meisten das Fahrrad stehen. Das ist auch gut so, denn zwei Kinder mitzunehmen erfordert eine äußerst sichere Beherrschung des Fahrrades. Für leichte Menschen ist es noch mal so schwer. Das betrifft gerade Frauen, die auch heute noch meistens die Kinder zu transportieren haben. Die Lösung: Kinderanhänger.

Wer mit Kindern unterwegs ist, hat auch immer Gepäck dabei. Verpflegung, Windeln, Klamotten zum Wechseln, Gummistiefel, das Lieblingsstofftier, ganz zu schweigen von den Einkäufen, die man noch nebenbei getätigt hat. Die Transportkapazitäten des elterlichen Fahrrades wären damit schon längst erschöpft – im Kinderanhänger ist hinter den Sitzen ausreichend Platz dafür. Die Kinder aber sind im Anhänger trocken und windgeschützt untergebracht, bei Kälte in einen Fußsack aus dem Kinderwagen oder in eine warme Wolldecke eingemummelt.

Alle diese Vorteile sind Eltern schnell klar. Was bleibt, ist die kritische Frage nach der Sicherheit im Verkehr. Entgegen mancher Schlagzeile aus der Vergangenheit sind Kinderanhänger sicherer als Kindersitze. Das ist auch Meinung des Verbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (VdV), der eigene Tests durchführen ließ. Anhand dieser Tests ließen sich erste Vorschläge zur Verbesserung der passiven Sicherheit von Kinderanhängern formulieren. Weitere, praxisnähere Tests wurden gerade im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums, der Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast) und des Anhängerspezialisten „Zwei plus zwei“ aus Köln durchgeführt. Die Veröffentlichung der Ergebnisse steht noch aus.

Bestätigt hat sich aber, daß besonderes Augenmerk auf die sichere Gestaltung der Kupplung (zum Beispiel Ankuppeln auf Hinterachshöhe) und das Chassis gelegt werden muß. Das Chassis muß einem Überschlag standhalten. Diskutiert wird auch, ob Anhänger eine eigene Bremse haben müssen. Die Ergebnisse dieser Überlegungen sollen in die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung einfließen.

All dies darf den Blick nicht dafür versperren, daß für die Sicherheit der Kinder die umsichtige Fahrweise entscheidend bleibt. Kinder sollen auch im Kinderanhänger einen Helm tragen und angeschnallt sein. So gesichert, können in manchen Modellen auch die Kleinsten mitgenommen werden – in einer Autositzschale mit spezieller Befestigung. Trotzdem haben Kinderanhänger auf Hauptstraßen im dichten Verkehr nichts zu suchen. Häufig gibt es Ausweichmöglicheiten über Nebenstraßen. Und manchmal muß man halt einen kleinen Umweg fahren oder das Gespann über eine Straße schieben.

Zwei Kinderanhänger haben wir ausprobiert. Der ausgezeichnet verarbeitete „Chauffeur“ (899 Mark) des kanadischen Herstellers Chariot macht seinem Namen alle Ehre und ist außerdem ein wahrer Verwandlungskünstler. Die sehr stabile und geräumige Fahrgastzelle besteht aus einem Aluminiumrahmen, der mit Cordura-Nylon bespannt ist. Hosenträgergurte sind selbstverständlich, Innentaschen ebenfalls. Hervorragend ist die Belüftung: vorne, hinten und an den Seiten mit Insektenschutz. Die Orginalkupplung umgreift die Kettenstrebe.

Allerdings ist die Deichsellänge für MTBs mit 26-Zoll-Rädern ohne Schutzbleche bemessen, für deutsche 28-Zoll-Laufräder an City- oder Trekkingbikes ist sie zu kurz. Für 50 Mark Aufpreis erhält man den Hänger mit einer längeren Deichsel plus Weber-Kupplung. Das am Fahrrad zu befestigende Gegenstück kostet 60 bis 100 Mark, je nach Ausführung. Die hochwertige Weber-Kupplung ist in Deutschland schon Standard geworden. Der Bajonettverschluß ist einfach zu bedienen und dabei so sicher, daß eine zusätzliche Fangleine entfallen kann. Außerdem ist die Verriegelung mit dem eingebauten Schloß gegen Diebstahl zu sichern. Mit einem Handgriff läßt sich der Hänger flach zusammenklappen. Die Deichsel läßt sich ohne Werkzeug abnehmen, die Räder haben Schnellspannachsen. So läßt sich der 10,7 Kilo leichte „Chauffeur“ auch auf wenig Raum abstellen oder gut transportieren. Mit dem Sonderzubehör Kinderwagenset (219 Mark inklusive Feststellbremse) wird der Chauffeur zum Doppelkinderwagen, außerdem ist ein Jogger-Kit (249 Mark) und eine Wanderdeichsel (149 Mark) erhältlich.

Das erste Serienmodell mit eigener Bremse ist der Leggero Limit 98 vom europäischen Marktführer Brüggli in der Schweiz. Diese Bremse ist als Auflaufbremse ausgeführt. Beim Bremsen des Zugfahrrades schiebt sich ein Parallelogramm-Gelenk ineinander, und die Bremszüge der beiden Cantilever-Bremsen werden angezogen. Eine Feststellbremse wurde raffiniert integriert. Unsere Testbremsungen mit bis zu 40 Kilo Lebendgewicht im Hänger zeigten schnell, wie sinnvoll so etwas ist. Bei Vollbremsungen aus etwa 20 Stundenkilometer ohne Auflaufbremse kommt das Hinterrad des Zugfahrrads trotz Ankupplung auf Achshöhe ins Schlingern. Mit der Auflaufbremse bleibt das Gespann in der Spur, der Bremsweg ist kürzer. Dieser sehr zu empfehlende Sicherheitsgewinn hat wie immer auch seinen Preis. Der Leggero Limit 98 kostet 1.499 Mark inklusive der neuen Becco-Kupplung. Der Leggero Classico ohne Auflaufbremse kostet 959 Mark. Peter Barzel