■ Kosovo: Scharfe internationale Interessengegensätze
: Ohne Herz und Verstand

Schon der Umstand, daß sich die internationale Gemeinschaft schwer tut, der wichtigsten Kriegsverbrecher in Bosnien habhaft zu werden, zeigt, wie schwer es für sie ist, auf dem Balkan im Interesse einer demokratischen Entwicklung an einem Strang zu ziehen. Zwingt in Bosnien das von fast allen Seiten unterstützte Diktum, keine Grenzveränderungen zuzulassen, wenigstens nach außen hin zu einer gemeinsamen Grundsatzposition, so wird im Kosovo-Konflikt ganz offen mit harten Bandagen gekämpft.

In Fragen des Kosovo ist Rußland nicht in eine vernünftige Strategie einzubinden. Warum sollte Jelzin Milošević verurteilen, der im Kosovo doch nur das will, was ihm der Kremlherr in Tschetschenien vorgemacht hat? Die Verurteilung der „Einmischung von außen“ ist auch Bestandteil der türkischen Politik. Der Kampf des türkischen Militärs gegen „Separatismus und Terrorismus“ der Kurden mit all ihren Erscheinungsformen – der Auslöschung ganzer Dörfer, Militäraktionen über die Grenzen hinweg – wird in Belgrad explizit zur Rechtfertigung des eigenen Handelns herangezogen. Nein, diese Länder scheiden als Stifter friedlicher Lösungen im Kosovo aus. Doch auch im Westen stehen die Dinge nicht zum Besten. Wie verkommen die französische Außenpolitik ist, offenbart nicht nur ihre Haltung im bosnischen Krieg. Die Schatten der Toten aus Ruanda verdunkeln das Antlitz von Politikern, die meinten, sich im „Interesse ihrer Einflußsphären“ um Menschenrechte nicht kümmern zu müssen. Und die Deutschen? Wie in Bosnien wird die Außenpolitik unter dem Druck des rechten Lagers letztlich auf die „Rückführung der Flüchtlinge“ reduziert. Dafür soll Kinkel sogar einen Pakt mit dem Teufel aus Belgrad schließen.

So leid es tut, es muß dennoch gesagt werden: Der einzige Hoffnungsschimmer kommt aus Washington. Aus welchem Interesse die USA der Balkanpolitik der „Europäer“ auch widerstehen – ob es nun die Eindämmung der Expansion der EU oder die Furcht vor einem sich als Macht zurückmeldenden Rußland ist –, die USA sind es, die mit ihrer Haltung den bedrängten Menschen im Kosovo Hoffnung geben. Nicht nur den Albanern, sondern auch jenen oppositionellen Serben, die wie der orthodoxe Erzbischof von Prizren weiterhin für eine friedliche Verhandlungslösung eintreten. Wenn die Kontaktgruppe aufgelöst werden muß, dann liegt die Schuld nicht in Washington. Erich Rathfelder