Nur eine halbe Portion NPD

■ Der große Aufmarsch der NPD in Leipzig fand nicht statt. Nur 3.000 statt der angekündigten 15.000 Rechtsextremen kamen zum Völkerschlachtdenkmal. Mehrere tausend linke Demonstranten protestierten gegen den Aufmarsch. Am Rande der Kundgebung gab es Krawalle zwischen Rechten, Antifas und den über 6.000 Polizisten

Leipzig (taz) – Einen großen Aufmarsch des „nationalen Widerstands“ hatte die rechtsextreme NPD für den 1.Mai in Leipzig angekündigt. Was die Neonazis gestern dann am Völkerschlachtdenkmal auf die Beine brachten, war eine eher klägliche Veranstaltung mit nur rund 3.000 Teilnehmern. Der nach mehrmaligen Verboten erst in der Nacht zum Freitag endgültig genehmigte Aufmarsch am Völkerschlachtdenkmal war von Protesten mehrerer tausend linker Gegendemonstranten, darunter 400 bis 500 Autonome, begleitet. Einige hundert auf beiden Seiten lieferten sich gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei. Es flogen Flaschen, Pflastersteine und Feuerwerkskörper, die Polizei setzte Wasserwerfer sowie Schlagstöcke ein und nahm bis zum Nachmittag rund 30 Randalierer vorläufig fest. Bei den Auseinandersetzungen wurden mindestens acht Beamte und zwei Demonstranten verletzt. Die Neonazis sprachen von zwei Schwerverletzten in ihren Reihen.

Die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer an der NPD-Kundgebung auf 3.000 bis 4.000. Die NPD hatte im Vorfeld damit gerechnet, daß 10.000 bis 15.000 Neonazis nach Leipzig kommen würden. Der Platz vor dem Völkerschlachtdenkmal war weiträumig abgesperrt. Die sächsische Polizei wurde von Einheiten aus sieben Bundesländern sowie Beamten des Bundesgrenzschutzes unterstützt. Insgesamt waren 6.100 Polizisten im Einsatz. Ziel der Polizeieinsatzzentrale war es, die Neonazis nach Beendigung des Aufmarsches so schnell wie möglich aus der Stadt zu bringen. Die meisten der mehr als 80 Busse, mit denen die NPD-Leute angereist waren, konnten bis zum Nachmittag aus der Stadt gelotst werden.

Daß sich die mancherorts schon vergessene Nationaldemokratische Partei (NPD) mit einer Großveranstaltung in Leipzig zurückmeldete, hatte seinen Grund. Wie andere Rechtsextreme hat auch die NPD Ostdeutschland als Rekrutierungsgebiet entdeckt. Sachsen gilt mit 19 Kreisverbänden als Hochburg der Partei. Die Kampagnen liefen auf Hochtouren, die Partei sei inzwischen die führende Kraft im rechtsextremen Lager, beschrieb der stellvertretende Leiter des sächsischen Verfassungsschutzes, Reinhard Boos, vor dem Aufmarsch die NPD-Strategie. Durch ihre Mobilisierung zum 1. Mai hat es die NPD geschafft, die Gewerkschaften an ihrem traditionellen Kampftag in die Defensive zu drängen.

Die offiziellen Mai-Feierlichkeiten in Leipzig waren vom Protest gegen den NPD-Aufmarsch geprägt. Der künftige Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee übte scharfe Kritik an der gerichtlichen Zulassung der NPD-Kundgebung, mit der mehrere Verbotsverfügungen der Stadt aufgehoben worden waren. „Es macht mich richtig wütend“, sagte Tiefensee, „daß unser dreifacher Anlauf, den Aufmarsch zu verbieten, nicht gelungen ist.“ Er rief die Menschen auf, wieder den aufrechten Gang zu üben. J.K.

Tagesthema Seite 3