Sind deutsche Kinder etwa schlauer?

■ GEW warnt: Immer mehr ausländische Kinder landen in Sonderschulen / Förderung ist schlechter als in der Regelschule

Im deutschen Bildungssystem klaffen große Lücken – und immer mehr kleine Leute fallen da einfach durch. Mit den jüngsten Sparbeschlüssen im Bildungsbereich wird sich diese Situation nach Ansicht der Lehrergewerkschaft GEW verschärfen. Besonders betroffen seien Kinder ohne deutschen Paß.

Die Statistik beweist: Sie werden immer häufiger an Sonderschulen für Lernbehinderte überwiesen; in Bremen ist mittlerweile jedes dritte Sonderschulkind ein ausländisches – und es könnten schnell mehr werden, wenn die sogenannte „erhöhte Lehrerstundenzuweisung“pro ausländischem Schulkind mit Beginn des nächsten Schuljahres wegfällt.

Dafür gab die Bildungsdeputation am Donnerstag grünes Licht. Wenn nun auch noch die Bremische Bürgerschaft den Plänen der Behörde zustimmt, sind die Zeiten vorbei, in denen ausländische Kinder bei der Berechnung von LehrerInnenkapazitäten eineinhalbfach zu Buche schlugen.

Daß in besonderen „Brennpunktschulen“künftig aber die SchülerInnenzahl auf maximal 24 (statt üblicherweise 27) Kinder pro Klasse begrenzt werden soll, wäre nach Ansicht von Bildungsexpertin Nevin Lutz kein vollwertiger Ausgleich – auch wenn die spezielle Förderung in muttersprachlichem und Deutschunterricht wie vorgesehen unangetastet bleibt.

Die Sonderschulpädagogin mit Fremdsprachen-Schwerpunkt, Lutz, berät Kollegien im Auftrag der Bildungsbehörde und weiß: „Nach der alten Berechnung kamen wir meist auf Klassen mit 20, 21 Schülern.“Sie weiß aber auch: „Oft kam die spezielle Förderung bei den ausländischen Kindern gar nicht an. Das haben ja die Kienbaum-Gutachter aufgedeckt.“

Für die Arbeitsgruppe Interkulturelle Bildung (AGIL) bei der GEW fordert die Pädagogin deshalb dringend ein gezieltes staatliches Programm, um die überhöhte Zahl von Migrantenkindern in Sonderschulen abzubauen.

Lutz ist überzeugt, daß vor allem das soziale Umfeld bestimmt, wer in die Sonderschule muß. Für diese Sicht sprechen auch die stadtteilspezifischen Daten der Behörde. Danach landen ausländische Kinder vor allem dort in Sonderschulen, wo Ausländer insgesamt eher in der Minderheit sind: In Schwachhausen oder Horn. Im Bremer Osten dagegen, wo heute ein Viertel aller Schulkinder keine deutschen Eltern hat, ist nur jedes fünfte Sonderschulkind ein ausländisches.

Dies unterstützt auch Reimer Kornmann, Professor an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg. Wie Lutz hat er beobachtet, daß ausländische Kinder im deutschen Schulsystem vor allem an mangelnder Förderung scheitern. Nicht selten würden die Kleinen zurückgestellt, wenn sie die Sprache ungenügend beherrschen. Folgeprobleme seien oft Verhaltensauffälligkeiten – weil die Kinder dann nicht ihrem Alter entsprechend gefördert würden. Für traumatisierte Kinder, die etwa Krieg oder Lagererfahrung durchgemacht haben, gebe es so gut wie keine psychosoziale Unterstützung. Nicht einmal in der Sonderschule.

„Solche Probleme von Migrantenkindern werden dort höchstens dilettantisch behandelt“, hat Lutz beobachtet. Und Deutsch-Förderunterricht für Kinder, die zu Hause Arabisch, Türkisch oder Russisch sprechen, gibt es in Bremer Sonderschulen bisher überhaupt nicht. Dies soll nach Angaben der Bildungsbehörde aber anders besser werden: „Im neuen Schuljahr werden vier von fünf Sonderschulen für Lernbehinderte eine wöchentliche Zuweisung von 15 Lehrerstunden für die Ausländerförderung bekommen“, verspricht der zuständige Behördenreferent für Interkulturelle Angelegenheiten, Werner Wilker.

Insgesamt aber werde Bremen wie gesetzlich vorgesehen alles daran setzen, Sonderschulen aufzulösen und die Kinder statt dessen in den Förderzentren sonderpädagogisch zu stärken. ede