■ Nachschlag
: Gammeliger Fisch im Theater zum westlichen Stadthirschen

Irgendwie muß dieser japanische Kugelfisch namens Fugu unsere westliche Zeitgeist-Seele getroffen haben. Cora Frost widmete erst ein ganzes Chansonprogramm dieser bisweilen tödlichen Speise, und auch in Jörg Grasers „Rabenthal“ wird zu guter Letzt das selbstmörderische Gericht aufgetischt. Daß dann tatsächlich der eine oder andere das Mahl nicht überlebt, liegt allerdings nicht am Meerestier, obwohl die giftige Fischgalle alle hätte hinraffen sollen.

Zu diesem Zeitpunkt fragt jedoch niemand mehr nach der Stringenz von Handlung oder gar Psychologie. Müdigkeit macht sich breit und auch ein wenig Ratlosigkeit. Dabei hat Johannes Herschmann, der zudem einen dreisten Kellner spielt, sein Ensemble straff geführt. Die erste Szene ist sogar ziemlich komisch. Ein bißchen Thomas Bernhard, ein bißchen Schmäh und Weltekel: Kunsthändler Rabenthal (Dominik Bender) führt seine Gattin (Ursula Ofner) am Hochzeitstag ins grausligste Lokal Wiens. Der Wein kommt aus dem Tetra Pak, die Gläser sind schmierig, der Koch stinkt und schwitzt aus allen Poren. Die Spezialität des Hauses: Fisch. So sanft geköchelt, daß er noch lustig auf dem Teller zappelt.

Schon wird dem fies dreinschauenden Ex-Söldner, nunmehr Koch (Thomas Jahn), die Hochzeitsnacht überlassen. Dann aber ist der Spaß vorbei. Warum Frau Rabenthal dem widerlichen Koch verfällt, warum sie plötzlich nicht mehr ihren lustigen Wiener Akzent spricht, warum alles düster und irgendwie mysteriös, aber fern jeder Nachvollziehbarkeit wird – ob's am gammeligen Fisch lag? Gern wüßte man, was an dieser kulinarischen Speisen-Szenen-Folge tatsächlich Intention des Autors und Filmemachers Graser („Der Mond is a nackerte Kugel“, „Abrahams Gold“) und was Herschmanns Interpretation ist. Erkennbar immerhin die anfängliche Satire auf eine versnobte Gesellschaft, die im Luxus der Übersättigung nur noch den Trash und die gegenseitige Erniedrigung goutieren kann. Der Sprung jedoch hin zum Psychodrama bleibt unerklärt. Sosehr zu Beginn diese Figuren bis dahin scharf und griffig gezeichnete Charakteren sind, sie verblassen alsbald. Schlimmer eigentlich noch: Sie interessieren nicht mehr. Axel Schock

„Rabenthal“ von Jörg Graser. Bis 31.5., Do.–So., jeweils 20 Uhr, Theater zum westlichen Stadthirschen, Kreuzbergstr. 37