Der ganz gewöhnliche Tod

■ Bestattungstrends und Friedhofstests: Die niederländische Zeitschrift "Doodgewoon" widmet sich dem Lebensende

Berlin/Amsterdam (taz) – „Es beruhigt kaum, daß Millionen vor uns gestorben sind und ihnen täglich Tausende folgen. Für jeden von uns ist es das erste Mal“, schrieb Anja Krabben (36) in der ersten Ausgabe von „Doodgewoon“, was übersetzt soviel heißt wie „ganz gewöhnlich“. Vor drei Jahren gründete die Journalistin nach Abschluß ihres Kunstgeschichtestudiums eine Zeitschrift, die „sowohl kunsthistorisch als auch anthropologisch und philosophisch ist, aber auch journalistisch und aktuell und von Zeit zu Zeit literarisch und poetisch“. Artikel, die Krabben über ihre Abschlußarbeit „Italienische Grabstätten“ an mehrere Zeitungen schickte, ernteten zwar Lob, wurden aber wegen ihres morbiden Charakters nicht gedruckt. Heute leitet Krabben die einzige Publikumszeitschrift der Welt, die sich als „Special interest“-Titel einem makaberen Thema widmet: dem Tod, dem Sterben und allem, was damit in Verbindung steht.

Das Sterben der unheilbar an Aids Erkrankten habe das Bestattungswesen nicht nur in den Niederlanden stark verändert, begründet Krabben ihr Projekt. Die Sterbenden bereiten ihre Beerdigungen selbst vor, Künstler werden mit der Gestaltung von Grabsteinen und Särgen beauftragt, und eine ganze Reihe alternativer Bestattungsunternehmer verändern eine äußerst traditionelle Branche. Doodgewoon stellt im Quartalsrhythmus die letzten Trends im Beerdigungswesen vor und präsentiert in jeder Ausgabe einen Friedhofstest. Kann ich ohne Kiste beerdigt werden? Habe ich auf dem Friedhof Gesellschaft von Prominenten? Und: Will auch der Friedhofsvorsteher seine letzte Ruhestätte dort finden? Krabben meint dazu: „Nicht alle Menschen wünschen sich heute die übliche Beerdigung. Man sollte sich bewußt für sie entscheiden, so komisch das auch klingt. Eine Beerdigung sollte zu einem passen.“ Am letzten aller Tage sei vieles möglich, solange es das Gesetz zuläßt.

Aber Doodgewoon findet den Großteil seiner Leser nicht unter Trauernden oder Sterbenden. Eine Umfrage zeigte: Etwa 1.000 Abonnenten (Druckauflage: 2.500 Exemplare) sind „ganz gewöhnlich“ an Themen wie „Der Tod im Krieg“, „Ideen zum Leichenschmaus“ oder „Wildpflanzen auf dem Friedhof“ interessiert. Ihnen gefällt die Zeitung, „natürlich fehlt ihnen auch jede Vergleichsmöglichkeit“, merkt Krabben an.

In Glaubensfragen gibt die fünfköpfige Redaktion keine „einzig und allein geltende Meinung“ vor. Allerdings würden sich die Ansichten der Redakteure schon ähneln. Krabben selbst hat „eigentlich keinen“ Glauben. Durch ihre Arbeit sei sie aber relativ offen für unterschiedliche Denkweisen über das Jenseits. Die Redaktion nimmt sich des unendlichen Themas an, indem sie in einer festen Interview- Rubrik einzelne Religionsvertreter zu Wort kommen läßt.

Was Verlegern unglaublich erscheint: Doodgewoon, in schwarz- weiß herausgegeben von der Stiftung „Eindelijk“ (Endlich), schaufelt sich kein finanzielles Grab. Der Verkaufspreis beträgt umgerechnet neun Mark – allerdings arbeitet die Redaktion ohne Gehälter. Eine 48 Seiten starke Ausgabe hat zwei bis drei Seiten Werbung, der Kreis der Werbeinteressenten beschränkt sich dabei auf Branchen- Aktive. Zwar hat Anja Krabben („Ich muß weniger rauchen“) auch versucht, die Getränke- und Tabakindustrie für Doodgewoon zu gewinnen. Der Erfolg war mäßig und erbrachte lediglich eine Anzeige für „Black Death“-Wodka in der Erstnummer – begleitet von heftigen Leserprotesten.

Die Redaktion setzt nicht auf Schockierendes, kennt aber auch keine Tabus. Eine Fotoserie über eine verbrennende Leiche in einem Krematorium, die vor einem Jahrzehnt noch das halbe Land in Aufruhr versetzte, kann inzwischen problemlos veröffentlicht werden. Selbst das Antlitz eines Toten auf dem Titel verträgt die Leserschaft pietätvoll, auch wenn diese Heftnummer sich schlecht verkaufte. Für den Kioskverkauf bevorzugt die Redaktion lebende Menschen. Zwei lächelnde Leichenbestatterinnen mit roten Lippen unter schwarzen Hüten, förderten den Verkauf entscheidend. Harald Neckelmann