„Keine betriebsbedingten Kündigungen!“

■ Stadtwerke-Betriebsrat will auf Zulagen verzichten, wenn Vorstand auch verzichtet

Stadtwerke-Vorstand Gerhard Jochum prophezeit den Angestellten eine „Vertreibung aus dem Paradies“durch den liberalisierten Strommarkt. Nur mit einem „Bündnis für Arbeit“lassen sich seiner Meinung nach 700 gefährdete Arbeitsplätze retten. Über diese Forderungen sprachen wir mit dem Stadtwerke-Betriebsratschef Richard Harbort.

taz: Herr Harbort, Jochum fordert als Solidaritätsmodell zur Sicherung von Jobs Lohnverzicht und Abbau von Zuschlägen. Können Sie das akzeptieren?

Richard Harbort, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Bremer Stadtwerke: Bei diesem „Projekt Arbeit“und der Stabilisierung der Stadtwerke auf dem liberalisierten Strommarkt wollen wir natürlich auch unsere eigenen konkreten Ideen einbringen. Es kann nicht angehen, daß dabei Jochums Vorschläge zu unseren Kosten umgesetzt werden. Es wird kein Bündnis für den Vorstand werden.

Wie sehen Ihre Ideen aus?

Wir wollen das Unternehmen stabilisieren und so unsere Arbeitsplätze sichern.

Das läßt sich laut Jochum aber nur über einen Abbau der Lohn- und Gehaltskosten realisieren, da die Bremer Stadtwerke offensichtlich 30 Prozent über dem Durchschnitt produzieren.

Dem muß ich widersprechen. Sicherlich sind unsere Lohn- und Gehaltsstrukturen im Vergleich mit anderen Energieproduzenten nicht schlechter. Daß wir gleichzeitig aber eine relativ hohe Gesamtlohnsumme haben, liegt daran, daß unsere gesamten Versorgungsbezüge, die wir tarifvertraglich festgelegt haben, in Investitionen angelegt wurden und werden. Das Unternehmen brauchte darum kein Geld auf dem freien Markt aufzunehmen. Ich weiß nicht, ob Herr Jochum angesichts dieser Tatsache gut beraten ist, unsere Lohnbezüge insgesamt als zu hoch zu bezeichnen. Das Unternehmen profitiert davon und würde im Gegenteil sogar destabilisiert, wenn diese Investitionen zu gesalzenen Zinsen auf dem Markt geholt werden müßten.

Jochum versucht dafür aber auch zusätzliche Investoren mit ins Stadtwerkeboot zu lotsen. Dabei sagt er zudem klipp und klar, „wir müssen den stadtbremischen Anteil absenken, um für Investoren attraktiv zu werden“.

Diese Meinung von Herrn Jochum kann ich so nicht teilen. Ich unterstütze jegliche Versuche, wenn es darum geht, sich mit anderen Partnern zu verbünden. Für mich heißt das aber eine gegenseitige Absicherung mit Über-Kreuz-Beteiligungen. Das bedeutet nicht, daß ich große Anteile veräußere. Ich plädiere eher für eine Kooperation statt Fusion.

Um weitere Kosten zu sparen, will Jochum die Stromerzeugung herunterfahren und unrentable Kohlekraftwerke schließen.

Wir haben bisher recht kostengünstig die Stromversorgung für Bremen aufrecht erhalten und sollten dies auch in Zukunft tun. Bevor ich Kapazitäten abbaue, versuche ich doch erstmal, sie zu vermarkten. Das sind abgeschriebene Anlagen, mit denen sich preisgünstig Strom produzieren läßt.

Um diesen besser vermarkten zu können, schwebt Jochum ein Holding-Modell für die Stadtwerke vor. Das müßte Ihren Vorstellungen doch entgegen kommen.

Das will ich nicht ausschließen. Ich bin aber kein Kaufmann, sondern Betriebsrat von 2.500 Beschäftigten. Wenn sich das Unternehmen über eine andere – uns überzeugende – Struktur besser behaupten kann, muß man darüber nachdenken. Es muß aber klar sein, daß die Mitarbeiter einer Holding nicht schlechter gestellt sind, als die heutigen Stadtwerker.

Was sind die Gegenangebote des Betriebsrats? Muß nicht jetzt jeder abspecken und auf Lohn verzichten?

Klar muß vor allem eins sein: Es darf zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommen. Wenn der Vorstand ebenfalls zu Einkommensverzichten und die Anteilseigner zu Gewinneinbußen bereit sind, kann man sich über alles unterhalten. So weit sind wir aber noch lange nicht. Wir müssen jetzt zuerst das Angebot vom Vorstand abwarten. Es darf vor allem nicht allein zu Lasten der Belegschaft gehen. Fragen: Jens Tittmann