Schönbohm-Kritiker auf Eskalationskurs

■ Innensenator und Polizeiführung geraten wegen Ausschreitungen am 1. Mai unter Beschuß. Bonner SPD-Innenpolitiker Penner fordert von Schönbohm neuen innenpolitischen Kurs. GdP verlangt Aufklärung der

Wegen der Ausschreitungen am Abend des 1. Mai gerät nun Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) in die Kritik. Politiker verschiedener Parteien und die Polizeigewerkschaft GdP werfen dem Innensenator wie der Polizeiführung vor, für die Eskalation nach der traditionellen „revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ verantwortlich zu sein; das Polizeikonzept sei gescheitert.

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wilfried Penner (SPD), erklärte: „Wenn es zu Krawallen kommt, fällt das politisch auf den für die Innere Sicherheit verantwortlichen Minister oder Senator zurück.“ Penner forderte ein besseres Konzept für den 1. Mai, um Krawalle zu verhindern. „Der Kurs absoluter Härte bringt offensichtlich nichts“, so Penner.

Auch der Vorsitzende der GdP, Eberhard Schönberg, kritisierte den Polizeieinsatz scharf. „Die offensichtlichen Fehler in der Vorbereitung und Durchführung des Einsatzes müssen konsequent aufgearbeitet werden“, forderte Schönberg gestern. Anders als dem Innensenator, der von 17 verletzten Polizisten gesprochen habe, sei ihm außerdem die Zahl von über 100 verletzten Beamten bekannt; angeforderte Verstärkung sei bedrängten Beamten verweigert worden. „Die Berichte unserer Kollegen“, so Schönberg, „deuten auf teilweise chaotische Zustände in der Führung hin.“

Schwere Kritik am Ablauf des Polizeieinsatzes hat auch der ehemalige Polizeipräsident Klaus Hübner geübt. Die „gewaltige Einsatzzahl“ von mehr als 5.000 Beamten vor Ort sei „völlig ausreichend, um der voraussehbaren Ausschreitungen Herr zu werden“, sagte Hübner. Er kritisierte Schönbohm, der offensichtlich eher nach einer militärischen als einer politischen Logik operiere. „Militarismus und Polizei schließen sich gegenseitig aus“, so Hübner. „Ein Militär braucht einen Feind, eine Polizei darf keinen Feind haben. Deshalb darf eine Polizei nicht militärisch denken.“

Im Innenausschuß des Abgeordnetenhauses warf der innenpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Wolfgang Wieland, dem Innensenator vor, mit seinem Konzept die „Spirale der Aggression nur weiterzudrehen“, anstatt sie „zurückzuschrauben“. Der Polizei sei die Situation „aus dem Ruder gelaufen“, man habe erst viel zu spät genügend Einsatzkräfte vor Ort gehabt. Der PDS-Politiker Freke Over sagte zu Schönbohm: „Sie haben es mit ihrem Säbelrasseln geschafft, die Autonomen in die Schlacht zu führen.“

Geschlossen wiesen der Innensenator, Polizeipräsident Hagen Saberschinky und Landeschutzpolizei-Chef Gernot Piestert gestern die Kritik am Polizeikonzept zurück. Piestert betonte, insgesamt sei das Konzept aufgegangen. Nur bei der einen Demonstration sei die Polizei von „der Eruption der Gewalt“ überrascht worden, zudem habe der Veranstalter die Demo-Teilnehmer zu Gewalttaten aufgerufen.

Schönbohms Vorstoß, nun die 1.-Mai-Demonstration verbieten oder einschränken zu wollen, wird von allen Parteien außer der CDU rundweg abgelehnt. Der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans- Georg Lorenz, sagte gestern: „Glücklicherweise ist das juristisch sowieso nicht durchsetzbar. Ein Verbot würde außerdem das Gegenteil bewirken und die Aggression nur noch steigern.“ babs/gn

Interview Seite 23