Das Portrait
: Der Fluch der Kartoffel

■ Raimund Harmstorf

Früher konnte Fernsehgeschichte mit einer einzigen Szene geschrieben werden. Den Schauspieler Raimund Harmstorf beförderte eine mit der bloßen Hand zerdrückte Kartoffel zu ewigem Ruhm. Die Bundesrepublik der frühen siebziger Jahre war mit einem Zeichen purer Kraft offenbar tief zu beeindrucken. In der vierteiligen Fernsehverfilmung von Jack Londons Roman „Der Seewolf“ spielte Harmstorf 1971 den mit Bärenkräften ausgestatteten brutalen Kapitän Wolf Larsen. Es war und blieb die Rolle seines Lebens. Die klebrige Kartoffel konnte er nie wieder von seinen Fingern abstreifen. Das Geständnis, daß die Kartoffel vor der Zermalmung gekocht worden war, vermochte die Seewolf-Legende nicht aufzuhalten. „Kartoffeln sind mein Schicksal“, sagte Harmstorf, zunehmend darunter leidend. „Ich gehe in den Supermarkt einkaufen, schon drückt mir einer eine Kartoffel in die Hand.“

Harmstorf wurde 1940 als Sohn eines Hamburger Arztes geboren. Seine körperliche Kraft war keine Erfindung der Fernsehleute. Als junger Sportler brachte er es immerhin bis zum Zehnkampfmeister von Schleswig- Holstein, ehe er auf der Bühne und im Film bevorzugt als vitaler Muskelprotz eingesetzt wurde. Nach dem „Seewolf“ stand ihm auch das Tor zu einer internationalen Karriere offen. In dem legendären Italo-Western „Nobody ist der Größte“ spielte Harmstorf neben Bud Spencer und Terence Hill – nicht minder Darsteller einer einzigen Rolle.

In den achtziger Jahren wurde es beruflich stiller um Harmstorf. Gelegentliche Auftritte in den heimischen Krimiserien wie „Tatort“ und „Der Alte“ waren unspektakuläre Auftritte eines alternden Fernsehhelden. Zuletzt sah man in noch einmal in der „Klinik unter Palmen“, einer Art Schwarzwaldklinik auf den Philippinen, aber sein Spiel stand schon im Ruch des Gastauftritts. Harmstorf war krank. Die Parkinson-Krankheit, so Gerüchte, zehrte seine Kräfte buchstäblich auf. Zuletzt schien er auch dem psychischen Druck immer weniger standhalten zu können. Bereits im April war er nach einem Selbstmordversuch in die Psychiatrie eingeliefert worden. Am Wochenende hat sich Harmstorf auf seinem Bauernhof in Marktoberdorf im Allgäu das Leben genommen. Harry Nutt