Bundeswehr sagt Rekruten-Gelöbnis ab

■ Scherfs Kompromißvorschläge zum öffentlichen Schwur gefielen Verteidigungsminister Rühe nicht / Bremer CDU ist sauer und wirft SPD-Bürgermeister „Kniefall vor den Linken“ vor“

Die Bundeswehr will nicht mehr. Die Männer in Ausgeh-Grau haben ihr am 9. Juni geplantes öffentliches Gelöbnis auf dem Marktplatz abgesagt. Oberstleutnant Wolfgang Mäsch, zuständig für Pressekontakte, erklärte, Bürgermeister Henning Scherf (SPD) habe sich „aufgrund der politischen Lage in Bremen“ nicht imstande gesehen, das Gelöbnis „wie geplant“ am 9. Juni stattfinden zu lassen. Scherfs Alternativangebote – Feier in Bremerhaven oder in der Rathaushalle – hätten aus Sicht von Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) nicht akzeptiert werden können.

Damit ist das Gezerre zwischen den Koalitionären CDU und SPD um das erste große öffentliche Gelöbnis seit 1980 beendet. Am 6. Mai 1980 war es am Weser-Stadion bei einer Rekruten-Vereidigung zu blutigen Krawallen gekommen. Diese Erfahrung hatte den Bremer CDU-Chef Bernd Neumann und Verteidigungsminister Rühe nicht davon abgehalten, im Januar ein neues öffentliches Gelöbnis in Bremen anzuregen. Die SPD-Fraktion reagierte ablehnend, die CDU-Fraktion war dafür. Im Senat einigte man sich im Januar darauf, Gespräche mit der Bundeswehr zu führen, wie ein solches Gelöbnis im Land Bremen aussehen könnte.

Am 24. April, so wurde jetzt bekannt, traf sich Scherf mit Rühe am Rande einer Bundesrats-Sitzung. Scherfs Vorschlag: Gelöbnis ja, aber im Rathaussaal oder in Bremerhaven. Denn Fernsehbilder von Krawallen wollte Scherf unbedingt vermeiden. Das Programm im Rathaus hätte, so ein Vermerk zur Vorbereitung des Treffens, durch Vorträge unterfüttert werden sollen, „um ein offenes, sachliches, demokratisches Diskussionsklima zu fördern“. Als Redner wurden der konservative Joachim Fest, der altlinke Dieter Senghaas und der Grüne Ralf Fücks vorgeschlagen.

Das war dem Verteidigungsminister offenbar zuviel. Sein Gegenvorschlag: Das Gelöbnis nach den Bundestagswahlen auf dem Marktplatz stattfinden zu lassen. Der Minister habe kein Interesse, die Rekruten als Wahlkampfthema zu mißbrauchen, erklärte ein Sprecher der Hardthöhe. Doch ein neuer Termin wurde von Scherf abgelehnt, so der Sprecher. Scherf allerdings erklärte gestern, genau den gleichen Vorschlag gemacht zu haben. Geeinigt hat man sich aber offenbar nicht: Die Bundeswehr zog nun ihr Feier-Ansinnen zurück.

Jetzt kocht die CDU. Der zweite Bürgermeister Hartmut Perschau (CDU) und Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer warfen Scherf vor, die mit der CDU getroffene Absprache „einseitig gebrochen“ zu haben. Eine öffentliche Rekrutenvereidigung sei im Senat „so vereinbart“ gewesen. Die Junge Union und CDU-Chef Neumann griffen Scherf ebenfalls scharf an: Er habe mit seinen Vorschlägen das Gelöbnis „vereitelt“. Scherfs „Verweigerungshaltung“ sei ein „peinlicher Kniefall vor den Linken“ in der SPD. Und Innensenator Ralf Borttscheller wies die Behauptung zurück, das Gelöbnis sei an fehlenden Sicherheitsvoraussetzungen gescheitert. „Die Zeiten, in denen die Polizei in Bremen vor Krawallmachern zurückstecken mußte, sind seit geraumer Zeit vorbei“, so Borttscheller.

Die Bremer Grünen indes werteten die Absage als einen „weiteren Erfolg der liberalen politischen Kultur Bremens und als eine „Ohrfeige für Scharfmacher wie Neumann“. Das nun ausfallende Gelöbnis bezeichnete der Bürgerschaftsabgeordnete Hermann Kuhn als „CDU-Wahlkampfveranstaltung“. Christoph Dowe