Vorspiel, nein danke

■ Arabella soll nachmittags nicht mehr über Sex reden oder nur noch abends talken, fordern die Medienaufseher in ihrem gestrigen Beschluß

Vor drei Wochen war für Arabella Kiesbauer (29) die Welt noch in Ordnung: Die Quoten ihrer Nachmittags-Talkshow „Arabella“ auf Pro7 stimmten. Wenn es die Zeit erlaubte, besuchte sie ihre Oma Elisabeth in Wien („Für Arabella ein ganz wichtiger Mensch in ihrem Leben“) und ließ sich von ihr mit böhmischen Gerichten verwöhnen. Im Fernsehen schaute sich Arabella am liebsten Nachrichten und Tierdokumentationen an.

Sollten die erfolgreiche Talkshowmoderatorin vielleicht doch einmal Zweifel an der Qualität ihrer Arbeit geplagt haben, genügte ein Blick aufs Trophäenregal: „Arabella verzaubert die Menschen, ihr Lachen ist ein Magnet, ihre Neugier unersättlich. Ihre Fröhlichkeit und Toleranz wirken ansteckend“, hatte sich die Jury noch 1994 bei der Verleihung des Bayerischen Fernsehpreises begeistert. Sie ist hoch dekoriert mit dem Bravo-Leserpreis „Otto“ in Bronze, von den Lesern des Musikexpress wurde Kiesbauer zur beliebtesten Talkmasterin '94 gekürt, im März 1996 wurde sie mit dem „Goldenen Kabel“ vom Gong ausgezeichnet. Was für eine sympathische junge Frau.

Dann folgte der Absturz: Irgend etwas Schreckliches muß mit Arabella Kiesbauer passiert sein, schleichend, eine grauenhafte Wendung in ihrem Leben, von niemandem bemerkt – plötzlich fing sie an, nur noch über Schweinkram zu reden, nicht mehr über böhmische Knödel, wie sie das doch früher immer so gerne getan hat. Gar Grausiges serviert Kiesbauer seither im behüteten Nachmittagsprogramm: „Vorspiel – nein danke! propagierte sie in der gestrigen Sendung, und per Internet sucht sie Menschen, die sich mit ihr über noch Ekelhafteres ereifern wollen: „Im Urlaub suchst Du Männer für ein Abenteuer?“ – „Frauen, die sich Silikon einpflanzen lassen, sind für Dich das letzte?“ – „Du stehst auf Südländer?“ – „Bierbäuche widern Dich an? – Du findest Schwabbelbäuche ekelhaft?“

In Zeiten schwankend-schwindender Auflage nahm sich also die Münchner Boulevardzeitung tz ein Herz und, eingedenk der Tatsache, daß Schlüpfriges ein ureigenes Thema der Boulevardpresse bleiben sollte, forderte sie, was uns allen eigentlich schon längst wie der Staub von der Mattscheibe hätte fallen müssen: „Schluß mit dem Schmuddel-TV!“ heißt ihre Kampagne, echt nur mit dem vorgedruckten Protest-Coupon zum Einschicken, und schon soll's Arabella an den Kragen gehen. Wenn sonst auf der Welt mal wieder gar nichts passiert ist, forderte die tz auch schon mal ein Machtwort des Kanzlers. Der hat sich bislang zwar zurückgehalten, nicht so jedoch Edmund Stoiber und dessen Sozialministerin Barbara Stamm – schließlich ist Wahlkampf in Bayern.

Stoiber schlug erst einmal vor, Bußgelder für verletzten Jugendschutz auf eine Million Mark anzuheben. Dann schrieb er den von ihm sonst so geliebten und geförderten Privatsendern einen Brandbrief, den „schweren Mißstand“ betreffend. „Bitte nehmen Sie meine Besorgnis ernst“, setzte der Landesvater noch handschriftlich einen flehenden Vermerk dazu. Frau Stamm forderte ein Ausstrahlungsverbot für Sex-Talk am Nachmittag, diskutierte in der Süddeutschen Zeitung mit Frau Kiesbauer und mußte sich von dieser vorhalten lassen, sie widme sich anderen Themen „nicht mit dieser Hingabe“: Jugendkriminalität, Jugendarbeitslosigkeit, Rassismus unter Jugendlichen. Während sich die Nachmittagsschwätzer zu einer Gegenoffensive formierten (Meiser: „Hinterbänkler, verlogene Diskussion“, Pilawa: „Wahljahr“, Christen: „parteienkonform und medienwirksam“), lenkten die Privatsender ein: Sie wollen einen „Verhaltenskodex“ für den Nachmittag entwickeln.

Zu spät. Gestern hat die Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten dem Vernehmen nach beschlossen, daß „Arabella“ in den Abend zwangsverlegt werden muß, sollte sie weiterhin über Sex reden wollen. Das betrifft natürlich auch andere Talkshows, nur bei „Arabella“ finden die Jugendschützer die Sache besonders evident – ihre Show wird anders als andere hauptsächlich von Jugendlichen geglotzt. Der Beschluß kommt, folgt man Pro7-Chef Georg Kofler, einem Sendeverbot gleich: Abends passe „Arabella“ nicht ins Programmschema. Da wird bei Pro7 schließlich nicht mehr über Sex geredet. Da wird er gezeigt. Stefan Kuzmany