■ Querspalte
: Kohl auf dem Ramschtisch

Den Aufgeschreckten der vergangenen Tage entging ein gewichtiger Aspekt der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Bereits Mitte April bewies der Ullstein Verlag prophetisches Gespür und teilte im Börsenblatt des deutschen Buchhandels mit, daß man „ab dem 30. April“, also zum 1. Mai (!) den Ladenpreis aufhebe für das Buch von Helmut Kohl: „Ich wollte Deutschlands Einheit“. Mit anderen Worten: Die in gebotener poetischer Freiheit nacherzählte Geschichte, wie der Kanzler der BRD der UdSSR die DDR abkaufte, wird kaltblütig verramscht, weil sie niemand mehr lesen will. Während Kohl seinen Fels in der Brandung der Historie für ewig und drei Tage fest gebucht hat, ein Platz, den ihm selbst der politische Gegner nicht müde wird zuzuweisen, wird ihm der Platz in den Sortimentsbuchhandlungen gekündigt. „Money talks“, sagen die Briten. Wenn ein Verlag wie Ullstein keinen Pfennig mehr auf den amtierenden Kanzler setzt, tendieren dessen Chancen für den 27. September gegen Null.

Oder aber – und das wäre eine weitere, nicht dermaßen auf der Hand liegende, darum aber erst recht gültige Interpretationsmöglichkeit – die Anzeige des Ullstein-Verlags im Mitteilungsblatt für Buchhändler war das abgesprochene Zeichen für den Rechtsaußen-Verleger Gerhard Frey, das er von nun an auf Ullstein zählen könne. Ein letztlich dann doch nicht allzu überraschendes Signal, hat Ullstein doch auch in der Vergangenheit viele Bücher veröffentlicht, die in Nazideutschland nicht verboten worden wären. Übrigens kristallisiert sich nur ein Ereignis heraus, das dafür sorgen würde, daß Kohl uns die Neujahrsbotschaft an der Schwellung zum nächsten Jahrtausend aus dem Fernseher entgegennuschelt: Deutschland wird Fußballweltmeister. Das würde reichen. Schäuble und Schröder blieben Ergänzungsspieler, die niemand einsetzt. Frey wird Trainer. So sieht das aus. Wenn die Deutschen wieder mal ganz eng zusammenrücken, weil alles und alle drumherum so arglistig und feindlich gesonnen sind, dann auf jeden Fall nach rechts. Dietrich zur Nedden