Ronni Milo geht unter die Parteigründer

■ Der Bürgermeister von Tel Aviv will aus dem Likud austreten und eine neue Organisation gründen. Sie soll sich gegen „religiöse Zensur“ wenden. Die Arbeitspartei fürchtet um Stimmen

Jerusalem (taz) – Israels vielfältiges Parteienspektrum ist um eine neue Variante reicher geworden. Tel Avivs Bürgermeister Ronni Milo kündigte am Montag völlig überraschend an, eine neue „Partei der Mitte“ gründen und für das Amt des Ministerpräsidenten kandidieren zu wollen. Zugleich erklärte Milo, er werde die Likud- Partei, der er seit seiner Jugend angehört, verlassen und nicht erneut für das Amt des Bürgermeisters von Tel Aviv kandidieren.

Noch vor wenigen Wochen hatte Milo im Rundfunk gesagt, „die Müllabfuhr in Tel Aviv sei eine größere Herausforderung als der Müll in der nationalen Politik“. Milo erklärte ferner, daß er bis zu den Wahlen im November im Amt bleiben und erst danach seine neue Partei aufbauen werde. Als Anlaß für seine Ankündigung nannte Milo die „religiöse Zensur“, die die Batsheva-Tanztruppe zur Absage ihres Auftritts bei den 50-Jahr-Feiern gezwungen hatte. „Dies ist ein sehr gefährliches Signal und ein Krisenpunkt in der staatlichen Entwicklung Israels“, so Milo.

Während der Chef der Arbeitspartei, Ehud Barak, Milos Schritt als „ein deutliches Zeichen der Desintegration des Likud“ bezeichnete, befürchteten andere Parteimitglieder, daß Milos neue Partei nicht dem Likud, sondern der Arbeitspartei Stimmen wegnehmen könnte. Auch verschiedene Regierungsmitglieder äußerten die Ansicht, daß Milos „antinationale“ und „antireligiöse“ Standpunkte keine Attraktivität für die regierende Rechte haben könnten.

In der Likud-Partei kamen aber auch Befürchtungen auf, ein dritter Kandidat für das Ministerpräsidentenamt neben Netanjahu und Barak könne einen zweiten Wahlgang erforderlich machen. In einem solchen könne Milo dann die Arbeitspartei unterstützen und somit Netanjahus Wahlchancen mindern. Andere machten darauf aufmerksam, daß bis zur Wahl noch zwei Jahre ins Land gehen, „eine Ewigkeit in der Politik“.

Bislang war die Arbeitspartei eine „Partnerschaft“ mit Milo eingegangen. Diese „Partnerschaft“, laut der Milo darauf verzichtete, in die nationale Politik zu gehen, während die Arbeitspartei die Kandidatur des Likud-Mannes als Bürgermeister unterstützte, war vor kurzem zerbrochen. Der Likud selbst hatte Milo noch nicht wieder als Kandidaten nominiert. Angesichts dieser politischen Unsicherheit dürfte Milo sich zu dem überraschenden Schritt entschlossen haben. Erst vor wenigen Monaten hatte Milo im Likud die gescheiterte Rebellion gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angeführt. Ob andere Rebellen des Likud seiner Partei beitreten werden, blieb unklar.

Georg Baltissen