„Yoko ist egal, was ich mache“

■ Eher Slacker als Bohémien: Trotz seines überdimensionalen Erbes will sich Sean Lennon nun selbst einen Namen machen, um mal wieder die Welt zu verändern und Tibet zu helfen

Um nicht erst lange um den heißen Brei herumzureden: Er ist eher nach der Mutter geraten. Kleinwüchsig und ein rundliches Gesicht. Bißchen Bart, bißchen strubbelige Haare. HipHop-Slacker-Jugendkultur. Gar nicht mal aufgesetzt. Sean Lennon: Sohn von Jesus und Maria Magdalena und, neben seinem Bruder Julian, der Typ mit dem überdimensionalsten Erbe aller Musikerkinder. Vier war er, als es geschah, jetzt ist er gerade mal 22, was viele seiner Antworten entschuldigt und auch seine Strategie in ein anderes Licht rückt.

Denn was tun mit einer Aussage wie „ich will mir meinen eigenen Namen machen“, angesichts eben dieses beibehaltenen Namens? Höhnisch lachen oder Mitleid über soviel Naivität? Sean Lennon hat sich entschieden, die Hosen runterzulassen. Statt der gleichbleibend Beatles-verseuchten Öffentlichkeit die Tür vor den Mikros zuzuschlagen und an verborgenen Orten Zwölftonmusik zu proben oder einfach was anderes als Musik zu machen, praktiziert er das komplette Gegenteil, greift zur Gitarre und singt melancholisch-melodiöse Lieder. Und schreibt im selbstverfaßten Begleitzettel über seine (natürlich) japanische Freundin, die ihm und seiner Musik so viel bedeutet. Da ruft die Couch.

Noch braucht er sie allerdings nur zum Schlafen, denn playing the game stellt sich doch als recht anstrengend dar. Als Künstler versucht sich Sean Lennon am Unmöglichen – cool, positiv und politisch zu sein. Into the Sun, der Titel seines Debuts, funktioniert als Mantra. Wie Stevie Wonder soll es sein, positiv und doch tiefgründig. Irgendwann. Momentan ist es noch die mauschelige Liedermacherausgabe von Nirvana und, ähem, den Beatles. Und der New-York-Posse natürlich, wo Sean abhängt, umringt von John Zorn und Arto Lindsay, in einem hippiesken Pool mit Cibo Matto, der Band seiner Freundin sowie den Beastie Boys als coolen großen Brüdern. Da wird kräftig Tibet geholfen, denn „wenn man seinen Namen nicht für solche Zwecke nutzt, dann verschwendet man ihn. Wenn Künstler politisch aktiv sind, können sie die Welt verändern.“

Sean ist in L.A., Tokyo und San Francisco aufgewachsen. Einen Großteil seiner Schulzeit verbrachte er auf einem Schweizer Internat. „Yoko ist egal, was ich mache, solange ich gesund bin.“ Er ist hypermotorisch und ungeduldig. Zappt TV, liebt Video-Spiele, liest zehn Bücher gleichzeitig und beendet keines. Er möchte verschiedene Projekte, neue Leute, große Städte, Reisen. Aus Stil-und Altersgründen eher Slacker als Bohémien. Auf die diesem System zugrundeliegende finanzielle Sorglosigkeit angesprochen, reagiert er natürlich allergisch. Geld ist aus seinem Blickwinkel irrelevant und verändert die Menschen nicht. Traurigkeit ist ein Teil der Schönheit des Lebens. Ob er Pop-Star wird oder nicht, ist egal. Seine Hobbys sind Yoga, tibetanische Meditation und, naja, Kunst.

Holger in't Veld mit Ja König Ja: Mo, 11. Mai, 20 Uhr, Grünspan