Die falschen Fragen

■ Peinlichkeitspotential Vergangenheitsbewältigung: Nicolas Stemann montiert Zombie –45 – am Baß Adolf Hitler in den Kammerspielen

Es war der mißglückteste schlechte Witz des letzten Jahres. Während eines Gastspiels in Israel im Mai 1997 unterschreibt ein Kontrabassist der Deutschen Oper im Suff seine Getränkerechnung mit „Adolf Hitler“. Einen schlimmeren Kater hätte er sich nicht einfangen können: Aus der rechten Szene erreichen Gerd Reinke zu seinem Entsetzen Sympathiebekundun-gen, und der „schlechte Apfel“ wird vom „gesunden Volkskörper“ der deutschen Oper ausgeschieden.

Das Zitat stammt von der Opernleitung, auf die Bühne bringen es Nicolas Stemann und Bernd Stegemann. Als Regisseur und Dramaturg haben sie bereits sechs gemeinsame Produktionen hinter sich. Doch erst das Kampnagel-Nachwuchsfestival „Junge Hunde –97“, bei dem das Duo mit dem Stück Terrorspiel antrat, wurde für die beiden zum Sprungbrett: Einladungen nach Manchester und Basel folgten, ein Gastspiel in Berlin ist geplant.

Gegenwärtig versuchen sie sich an der Dramatisierung des unseligen Vorfalls, die unter dem Titel Zombie –45 – am Baß Adolf Hitler in den Kammerspielen zu sehen sein wird. Eine „Show der Tabubrüche wider das Vergessen“ soll das Stück werden – damit sollte der Standpunkt eigentlich geklärt sein. Daß dem nicht so ist, belegt die Schwierigkeit des Sujets. Radiosender ziehen ihre Vorberichte aus dem Programm, der Sprachgebrauch der beiden wird als unbesonnen, dumm und arrogant bezeichnet.

Dabei sind gerade die Sprachregelungen auf dem Gebiet der Vergangenheitsbewältigung eines der Grundthemen von Zombie –45, wie Stemann auf Wunsch gerne erklärt. Die ostentativen Entsetzensbekundungen der deutschen Öffentlichkeit entlarvten, wie groß das Peinlichkeitspotential und wie dünn die Versöhnungsoberfläche sei. Es sei einfach, den Priestern der Erinnerungskultur und deren pflichtschuldig-pathetischer, quasireligiöser Sprechweise zu folgen. Ein betrunkener Idiot wie Reinke wird zum Monster stilisiert, und die wirklich bedrohlichen Vorfälle geraten aus dem Blick. Die kritischen Fragen überlasse man dabei den Falschen, und so werden die falschen Fragen gestellt. Doch es muß auch die dritte Generation nach Au-schwitz einen eigenen Zugang zur Geschichte finden.

Vier Schauspieler und zwei Musiker werden die satirische Collage bestreiten, die aus Liedern, Zitaten aus Presse und Literatur und verschiedenen Theater-Elementen wie zum Beispiel einem dokumentarischen Kindertheaterstück montiert ist. Eine harsche Kritik ist zu erwarten, die hoffentlich nicht verwechseln wird, gegen wen sich die Witze in Zombie –45 richten.

Barbora Paluskova

Premiere: Freitag, 8. Mai, 23 Uhr, Hamburger Kammerspiele