Ohr fürs Unterirdische

■ Vorschau 2: Kracauers Klezmer Madness

Mit David Krakauer tritt einer der exponiertesten Vertreter des von John Zorn mitinitiierten Projekts einer „radical jewish culture“ im Kito auf. Krakauer ist nicht nur mittlerweile ausgestiegenes Gründungsmitglied der Klezmatics, der Klarinettist des Massada Chamber Ensembles und der Gastsolist auf der Einspielung des Kronos Quartetts der „Dreams and Prayers of Isaac the Blind“ von Osvaldo Golijov. Außerdem hat er auch sein eigenes Trio mit dem Brave-Old-World-Akkordeon-Spieler Michael Alpert und dem Schlagzeuger David Licht. Auf der CD „Klezmer Madness“ scheint es den Dreien und ihren diversen Gästen (u.a. Anthony Coleman am Sampler) um eine radikale Neuinterpretation der Klezmer-Tradition zu gehen. Fernab von der angekitschten Romantik Giora Feidmans und auch erheblich radikaler als die Klezmatics und Brave Old World mischt er die jiddische Traditionsmusik mit brasilianischen Rhythmen, Free-Jazz und den neuesten Entwicklungen im Sampling.

Wer meint, daß dies nach dem typischen Eklektizismus des Zorn-Umfeldes klingt, hat natürlich nicht unrecht. Aber es ist immer wieder erstaunlich, wie viele unterschiedliche vitale Varianten dieses Eklektizismus sich entwickeln lassen. Das liegt vor allem daran, daß hier nicht beliebig zusammengerührt wird, sondern mit sehr viel Sinn für historische und politische Kontexte und mit musikalischer Sensibilität. Selbstredend sind dies hervorragende Musiker mit guten Ohren für unterirdische musikalische Verbindungen und Übergänge, und Krakauer ist sicher zur Zeit einer der besten Klarinettisten, der mühelos zwischen traditionellem Stil und freiimprovisierten Passagen hin- und herwechselt. Im Kito tritt Krakauer übigens nicht mit Alpert und Licht auf, sondern mit Ted Reichmann am Akkordeon und dem Schlagzeuger Kevin Norton.

Dieter Wiene

David Krakauers „Klezmer Madness“ am Freitag, 8. Mai, um 20 Uhr im KITO in Bremen-Vegesack