"Das ist kein Projekt"

■ Die Schauspielerin Klara Höfels will gemeinsam mit dem Dramatiker Oliver Bukowski in Berlin ein Uraufführungstheater gründen

Für ein Autorentheater kämpft die Schauspielerin Klara Höfels (49) schon lange. Zuerst in Stuttgart, wo sie am Staatstheater engagiert war, und zuletzt in Berlin als Mitbewerberin um das Steglitzer Schloßpark Theater, das dann Heribert Sasse bekam. Jetzt hat sie, die sich inzwischen zur Kulturmanagerin ausbilden ließ, sich mit dem Dramatiker Oliver Bukowski (37) zusammengetan, der zuletzt sein jüngstes Stück „Nichts Schöneres“ inszenierte – eine Produktion, die auch im theater 89 zu sehen war, Zusammen mit dem Theaterverwaltungsprofi Klaus Memmert wollen sie in Berlin ein Uraufführungstheater gründen und sind nun auf der Suche nach einer Spielstätte und 2,2 Millionen Mark, die das Theater jährlich kosten soll. „So billig hat noch niemand Theater angeboten!“ sagt Klara Höfels.

taz: In Zeiten akuter Finanznot im Kulturbereich wollen Sie ein Theater gründen!

Klara Höfels: Wenn Sie von Geld anfangen, dann muß ich gleich sagen, bei diesem Projekt geht es nicht um Geld, sondern es geht um Kunst. Das ist auch kein Projekt, denn ein Projekt ist ja kurzfristig, sondern das ist eine Konzeption für ein neues Theater, die ich im Grunde schon seit zehn Jahren habe. Seitdem ich vom etablierten Theater weggegangen bin, weil ich ganz stark empfunden habe, daß man so nicht mehr Theater machen kann. Weil die Regisseure Theater gegen den Autor und gegen die Schauspieler machen, nicht mit ihnen. Schon in Stuttgart, wo ich Schauspielerin am Staatstheater war, wollte ich ein zeitgenössisches Theater gründen. Vor vier Jahren habe ich mich hier um das Schloßpark Theater beworben, um dort ein Autorentheater zu machen. Das ist mir nicht gelungen. Aber vielleicht ist die Zeit jetzt erst dafür reif.

Reif wofür?

Höfels: Für ein Theater, dessen Motor der Autor und der Schauspieler ist. Nicht der Regisseur und sein Konzept. Unser Modell sieht vor, daß Autoren und Schauspieler wirklich zusammenarbeiten und ein Regisseur die Arbeit nur begleitet, aber nicht dominiert. Und wenn man mit Schauspielern und mit Autoren spricht, dann wünschen sie sich dieses Theater.

Dann fragen wir mal den Autor. Oliver Bukowski, warum wünschen Sie sich ein Uraufführungstheater?

Oliver Bukowski: Wir wissen ja, wie zeitgenössische Autoren zur Zeit behandelt werden an den Theatern: meistens als Feigenblatt. Eigentlich geht es bloß immer um die große Intendanten-Inzenierung, Tschechow oder so was. Junge Autoren werden auf der Foyerbühne neben der Toilette gespielt. Von Regieassistenten inszeniert, die sich mal ausprobieren dürfen. Eigentlich brauchen wir 'ne Quotenregelung, damit an den großen Häusern mehr Gegenwartsautoren gespielt werden. Das klappt so aber nicht. Also machen wir das jetzt selber.

Woher wollen Sie Regisseure nehmen, die besser sind als der Regieassistent im Foyer neben der Toilette?

Höfels: Regisseure spielen im Theater eine viel zu große Rolle. Mir geht es darum, daß ich gute Autoren und gute Schauspieler finde. Eine passende Regisseurin oder einen Regisseur zu finden, das ist das Leichteste. In der Zusammenarbeit mit guten Schauspielern bilden sich ja die Regisseure. Was wäre zum Beispiel aus einem Thomas Ostermeier in der Baracke geworden ohne die wirklich guten Schauspieler vom Deutschen Theater.

Bukowski: Es ist doch so, daß man im Theater so eine tradierte Dreifaltigkeit hat: von Schauspieler, Autor und Regisseur. Doch die haben eigentlich nichts miteinander zu tun. Das heißt, Regisseur und Schauspieler schon. Aber nicht der Autor. Das hat schon der Enzensberger gesagt: Der größte Außenseiter am Theater ist der Autor. Wir wollen anders arbeiten. Unsere Vorbilder sind das Royal- Court-Theater oder das Bush- Theater in London.

Royal Court? Bush-Theater?

Bukowski: Wenn man nach London fährt und sagt: Ich will das Neuste sehen, dann geht man ins Bush-Theater oder ins Royal Court. (Wo etwa Mark Ravenhills „Shopping and Fucking“ entdeckt wurde oder Simon Bents „Goldhawk Road“; E.S.) Und so 'ne Adresse soll das hier auch werden. Da wird der Text fertiggeschliffen auf der Bühne. Und der Text wird besser, und der Autor lernt dabei. So arbeitet hier im Theater keiner, weil es eine unbekannte Größe für den Regisseur ist, wenn der Autor dabei ist. Man will den Text immer als feste Partitur behalten, an der der Regisseur lieber selbst herummacht. Wir wollen das anders machen. Am Bush-Theater oder Royal Court, wenn da irgendein junger Autor inszeniert wird, wird zum Beispiel ein Harold Pinter als Berater dazugeholt, und der kämpft sich mit dem Autor zusammen durch das Stück.

Höfels: Was meinen Sie, was so ein Theater für eine Talentschmiede sein könnte, wenn erfahrene Autoren jungen Autoren zur Seite stehen! Aber ich merke immer wieder, wie fremd für alle der Gedanke ist, daß Autor und Schauspieler wieder das Theater übernehmen und kein Regisseur da ist, der von außen dem Stück ein Konzept überstülpt, es dramaturgisch aufarbeitet und dann den Autor vollkommen draußen läßt.

Der Autor ist an der Produktion von Anfang an beteiligt?

Höfels: Ja, wie die Schauspieler, wie der Regisseur.

Gibt es schon eine Spielstätte?

Höfels: Über eine Spielstätte nachzudenken ist im Augenblick sinnlos. Wichtig ist zunächst, daß man die Finanzierung zustande kriegt, mindestens für fünf Jahre, damit auch etwas entstehen kann: Das ist auf diese Zeit berechnet ein Elf-Millionen-Projekt. Und das zu kriegen ist schwierig. Vielleicht finden wir vorerst ein Zuhause an einem anderen Theater.

Gibt es andere Autoren, die an so einem Uraufführungstheater Interesse haben oder mitarbeiten würden?

Bukowski: Es gibt eine Autorenvereinigung, die heißt Theater Neuen Typs. Simone Schneider macht das und Daniel Call. Ich bin da nicht mit dabei und Dea Lohrer zum Beispiel auch nicht. Aber das Interessante an dieser Vereinigung ist, daß es eigentlich auch eine Artikulation dessen ist, daß man so ein Theater haben möchte. Nur: So ein Theater kann man nicht mit vielen Autoren machen, weil es dann zu viele sind, die mitbestimmen, was gespielt wird. Zu viele Köche. Das wollen wir nicht. Natürlich werden wir uns bei der Stückauswahl beraten lassen, von Autoren, von Fachjournalisten zum Beispiel, und nicht jeden Mist spielen, der uns in die Hände fällt.

Und wer wird das organisieren?

Höfels: Wir sind drei Geschäftsführer. Ich bin künstlerische Leiterin, Oliver Bukowski kümmert sich um die Beschaffung und Auswahl der Stücke. Als Verwaltungsdirektor haben wir Klaus Memmert, der sich mit Geld, mit Verträgen und der ganzen Verwaltung auskennt. Ein echter Profi, der Verwaltungsdirektor an großen Häusern wie Düsseldorf oder Stuttgart war. In Berlin hat er Castorfs Volksbühne mit aufgebaut.

Wenn man ein Theater gründen will, muß man irgendwann den Marsch durch die Institutionen antreten. Haben Sie damit schon begonnen?

Höfels: Wir haben das Konzept geschickt an Herrn Radunski, an Herrn von Pufendorf, Herrn Dr. Biewald. Mit Frau Ströver und Nikolaus Sander sind Gespräche geführt worden. Herr Dr. Biewald meinte, daß es gar keinen Sinn hätte, Gespräche zu führen. Er hätte die Summe von 2,2 Millionen Mark jährlich gesehen, und da bräuchte er das Konzept gar nicht zu lesen. Auch Thomas Langhoff habe ich die Konzeption geschickt, und er hat mir schreiben lassen, daß er das Projekt bei Herrn von Pufendorf unterstützen will. An Claus Peymann habe ich das Konzept auch geschickt.

Peymann will sich am Berliner Ensemble auch verstärkt zeitgenössischen Autoren widmen. Kommen Sie sich da nicht ins Gehege?

Höfels: Überhaupt nicht. Sicher wird Peymann sich verstärkt um neue Autoren kümmern. Aber was wir planen, ist etwas vollkommen anderes. Ich halte das aber auch unter dem Dach des BE für absolut denkbar. Allerdings mit eigenen Schauspielern – nicht wie in der Baracke, wo sonst die Schauspieler des Deutschen Theaters spielen. Interview: Esther Slevogt