Klinken putzen nützt nichts mehr

■ Kirch ist in Geldnot. Weil die Banken nicht zahlen, wird nun über andere Modelle spekuliert

Die Herren bei der Kirchgruppe in Ismaning kriegten sich nicht mehr ein. Da werde versucht, „eines der erfolgreichsten europäischen Medienunternehmen“ systematisch zu beschädigen, schimpfte Kirchs Sprecher Johannes Schmitz: Unbegreiflich, rechtswidrig, entstellend!

Grund für das Aufheulen ist ein Bericht der Süddeutschen Zeitung, die gestern genüßlich ausbreitete, in welcher Finanzkrise Kirch steckt. Seit 1997 ein Riesenkredit der Bayerischen Landesanstalt für Aufbaufinanzierung nach öffentlichen Protesten ausfiel, geht Kirch offenbar vergeblich Klinken putzen. Ob Commerzbank, Bayerische Vereinsbank, Dresdner Bank oder Deutsche Bank: Alle, so schreibt die SZ, wollen dem 71jährigen kein Geld leihen. Das braucht er dringend. Die Finanznot rührt von Schwierigkeiten mit dem digitalen Abonnenten-TV DF 1. Dafür kaufte Kirch den Film- und Sportrechtemarkt leer, was Milliarden kostete. Die spielt das Projekt bisher nicht wieder ein. Daher will Kirch sein Projekt durch die Allianz mit dem Bertelsmann-Konzern retten, der dafür rund eine halbe Milliarde der Verluste übernehmen soll. Doch ein Verfahren der EU-Kommission dauert schon Monate, was nicht gerade für Euphorie bei den Banken sorgt: Niemand möchte ein Unternehmen finanzieren, dessen Lieblingsprojekt möglicherweise verboten wird.

Risikofaktor Nummer zwei für Kreditgeschäfte mit Kirch sind Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft, die ihn verdächtigt, Steuern in dreistelliger Millionenhöhe hinterzogen zu haben. „Gespräche mit den Kernbanken und Kreditinstituten“ würden durch die Ermittlung „erheblich negativ beeinflußt“, zitierte die SZ aus einem Vermerk des Kirch-Finanzchefs Herbert Schroder.

Es steht viel auf dem Spiel für Kirch und seine Medienmacht. Der Kohl-Freund kontrolliert Sat.1, Pro 7, Kabel 1 und DSF und ist Großaktionär beim Springer- Verlag, wo er mit Verleger-Erbin Friede Springer ständig um die Vorherrschaft kämpft. Damit das Pay-TV-Abenteuer nicht vor die Wand knallt, fuhr Kirch zuletzt selbst gen Brüssel, um der EU Zugeständnisse anzubieten. Gestern legte Kommissar van Miert einem beratenden Ausschuß der EU- Staaten einen „vorläufigen Entscheidungsvorschlag“ vor, der auch die neuen Angebote der Konzerne berücksichtigt. Nach wie vor sei der Kommissar für eine Untersagung, hieß es in Brüssel.

Schon wird spekuliert, daß Kirch nachlegt. Ein Vorwurf der EU ist, daß ein Kartell beim Pay-TV auch den Wettbewerb im frei empfangbaren Privat-TV behindern könne, den Bertelsmann und Kirch beherrschen. Diese Bedenken könnten teils entkräftet werden, wenn Kirch bei Sat.1 Anteile abgibt. Dort sind neben ihm noch Springer und der Holtzbrinck-Verlag Gesellschafter. Die Holtzbrinck-Anteile (15 Prozent) wollte Kirch eigentlich übernehmen. Nun sei im Gespräch, daß der Medientycoon Rupert Murdoch die Holtzbrinck-Anteile plus weitere fünf von Kirch und fünf von Springer kauft, erfuhr die taz gestern aus unterrichteten Kreisen. Gleichzeitig würde so frisches Geld nach Ismaning fließen. löw/lm

Kommentar Seite 12