Kein Mann ohne Waffe

Von wegen kaputte Familie, ödipaler Defekt und künstliche Befruchtung statt warmer Muttermilch. In „Dobermann“, dem Spielfilmdebüt von Jan Kounen, geht es um nichts anderes als Block Rockin' Beats und Speed  ■ Von Gerrit Bartels

Der Anfang dieses Films mag ein wenig in die Irre führen. Da stehen ein paar Männer in einer Kirche bei einer Taufe zusammen, es fällt eine blitzeblanke 357er Magnum in die Wiege des Babys, und ein Mann sagt zum anderen: „Ein Mann ohne Waffe ist doch kein Mann!“ Also denkt man, in den folgenden 100 Minuten die Entwicklungsgeschichte eines Gangsters erzählt zu bekommen, eine, die von broken homes, ödipalen Defekten und künstlichen Befruchtungen statt Muttermilch handelt. Doch Pustekuchen, in Jan Kounens „Dobermann“ geht es um nichts anderes als Block Rockin' Beats und Speed, hier macht einer nur den Schalter an, um dann hochzuladen, abzufahren und die Oberflächen ihren schicken Nonstop-Groove tanzen zu lassen.

Als gelernter Werbefilmer weiß Kounen seine Effekte zu setzen, jede Einstellung ist bei ihm ein Big Beat. Ihm geht es mehr um die Komposition seiner Bilder als die seiner Story, um rasante Schnitte und flotte Kamerafahrten, die durch die Rhythmen von Prodigy und der französischen Trance- Techno-Band Schyzomatic ihren kongenialen Kitt erfahren.

Der Dobermann alias Yann Lepentric (Vincent Cassel) ist dann auch zusammen mit seiner taubstummen Lara-Croft-Freundin Nat (Monica Belluci) nicht mehr, als der Anführer eines Ensembles von Drop-Cuts, die beim Tennis ihre Waffen mit den Tennisschlägern verwechseln, während eines Banküberfalls per Handy mit ihren Frauen telefonieren oder sich beim Scheißen gern mal mit Blättern der Cahiers du cinéma den Hintern abwischen (ein hübscher Hinweis von Kounen, wohin bei ihm die Filmreise auch in Zukunft nicht gehen soll). Leider hat es ein Vincent Cassel da schwer, seine beeindruckende schauspielerische Leistung aus dem Banlieue-Film „Haß“ zu wiederholen: Als Dobermann ist er hier mehr ein Schönheitsfleck, der die Macken seiner Kumpane erst richtig zur Geltung kommen läßt. Ihnen gegenüber: ein Haufen recht braver Flics sowie ein Kommissar (Tchéky Karyo), der den Gangstern an Brutalität und Sadismus in nichts nachsteht, ein „Faschist“, wie einer seiner Kollegen bemerkt, einer, der selbst ein Speed-König ist, wie ihn auch ein Stewart O'Nan nicht besser erfinden könnte. Inspririert von Quentin Tarantino und nach einem Drehbuch des französischen Trash-Krimi-Autors Joel Hussin, läßt Kounen dann seine Protagonisten in den Straßen und Banken von Paris aufeinander losgehen, um sie dann zum großen Showdown in eine Techno-Disco zu führen: einem verschnörkelten Glitzerhöllentempel, der an den hypertrophen französischen New Wave der Achtziger erinnert. Das sitzt, das ist spaßig und macht wie die Musik von Prodigy oder den Propellerheads natürlich auch angenehm leer im Kopf.

„Dobermann“. Regie: Jan Kounen. Mit Vincent Cassel, Tchéky Karyo, Monica Belluci, Dominique Bettenfeld, Stéphanie Metzger u.a. F 1997, 112 Min