■ Mit den Genen auf du und du
: Genklau und Biopiraten

Berlin (taz) – Jahrhundertelang hatten die Industrienationen uneingeschränkten Zugang zu den genetischen Ressourcen. Die weitaus überwiegende Mehrzahl der in der westlichen Welt angebauten Nutzpflanzen stammt ursprünglich aus der Dritten Welt.

Erst nachdem Forschungsinstitutionen und Unternehmen zunehmend Patente für Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen erhielten, kamen die genetischen Ressourcen auf die internationale Agenda. Mit der 1993 in Rio verabschiedeten „Konvention zur biologischen Vielfalt“ wurde zum ersten Mal überhaupt festgeschrieben, daß bei der Verwertung der genetischen Ressourcen das Ursprungsland berücksichtigt werden muß. Wie dies geschehen soll, das ist derzeit eine der Fragen, über die die 172 Unterzeichnerstaaten der Biokonvention in Bratislava streiten. Vor allem die Entwicklungsländer wehren sich gegen „Genklau“ und „Biopiraterie“.

Vor wenigen Wochen erst legte eine Arbeitsgruppe der Organisation für afrikanische Einheit (OAU) einen Entwurf für Regelungen zum Umgang mit den genetischen Ressourcen vor. Danach soll das Sammeln und Auswerten von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen sowie die Suche nach vermarktungsfähigen Inhaltsstoffen grundsätzlich einer staatlichen Genehmigung bedürfen. Auf noch größeren Widerstand bei den Industrienationen dürfte die Formulierung stoßen, daß Patente für Substanzen, die aus Naturprodukten gewonnen werden, nicht anerkannt werden. Eine Ausnahmen ist nur dann vorgesehen, wenn in der Patentschrift das „Eigentumsrecht“ der Bevölkerung, aus der die Naturstoffe stammen, berücksichtigt wird. Das Papier, das derzeit von den 53 Mitgliedsstaaten noch diskutiert wird, soll als Modell für nationale Gesetze dienen.

Während Nigeria, Ghana, Tansania und Guinea einen pragmatischen Kurs fahren und in Einzelverträgen mit westlichen Forschungsinstitutionen gemeinsame Forschungsprojekte geregelt haben, lehnen andere Länder zur Zeit jede Zusammenarbeit ab. In Äthiopien, das maßgeblich den OAU-Entwurf gestaltet hat, ist jegliche Ausfuhr von Samen und Pflanzen verboten. Äthiopien lehnt selbst eine Regelung ab, wie sie Nigeria mit einem US-Konsortium abgeschlossen hat. Danach sollen 50 Prozent der aus dem Gemeinschaftsprojekt erzielten Gewinne an einen Fonds gehen, der der lokalen Bevölkerung zugute kommt. Weitere 30 Prozent soll das Walter Reed Army Institut in den USA erhalten zur Entwicklung von Impfstoffen gegen Tropenkrankheiten. Wolfgang Löhr