Rechtsextremisten werden gewalttätiger

■ Der Verfassungsschutzbericht 1997 verzeichnet einen Anstieg rechtsextremer Kriminalität um 34 Prozent. Bundesinnenminister Kanther (CDU) ist gegen ein DVU-Verbot, sein niedersächsischer Kollege Glogo

Bonn/Hannover (dpa) – Die von Rechtsextremisten und Neonazis verübten Straftaten haben in der Geschichte der Bundesrepublik den bisher höchsten Stand erreicht. Wie Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) gestern bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichtes 1997 in Bonn mitteilte, sei im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 34 Prozent zu verzeichnen. Die Zahl der Gewalttaten stieg um 27 Prozent.

Von einem Verbot der in Sachsen-Anhalt erfolgreichen rechtsextremistischen DVU hält Kanther „überhaupt nichts“. Die DVU sei zwar eine verfassungsfeindliche Gruppierung, Parteien würden aber „durch die Wähler geschlagen“.

Zuvor hatte sich der niedersächsische Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) für ein schnelles Verbot der DVU ausgesprochen. „Von der DVU geht eine erhebliche Gefahr für unsere freiheitlich- demokratische Grundordnung aus“, erklärte Glogowski. Die Wahlkampfparolen der Partei seien von dumpfer Ausländerfeindlichkeit geprägt.

Die Innenminister der Länder wollen auf ihrer Konferenz am Freitag über ein Verbot der DVU beraten.

Wie aus dem Verfassungsschutzbericht hervorgeht, wurden 1997 insgesamt 11.719 (1996: 8.730) Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund registriert. Das sind rund 3.000 mehr als 1996. Unter den Straftaten (viele Nazipropagandadelikte) wurden 790 Gewalttaten (624) gezählt. Damit wurde der Höchststand von 1993 mit 10.561 festgestellten Delikten deutlich übertroffen. An der Spitze liegen die neuen Bundesländer, angeführt von Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.

Die Zahl der Straftaten von Linksextremisten hat sich nach Angaben Kanthers 1997 auf 3.079 (2.535) erhöht, das entspricht einer Zunahme von 21 Prozent. Darunter waren 833 Gewalttaten (716), eine Zunahme um 16 Prozent. Das Spektrum der gewaltbereiten Linksextremisten umfaßte Ende 1997 über 7.000 Personen, darunter rund 6.000 Autonome. Das linksextremistische Potential weist im vergangenen Jahr mit 34.100 Personen gegenüber dem Vorjahr einen leichten Rückgang (35.200) auf.

Das rechtsextremistische Personenpotential lag 1997 mit 48.400 um sieben Prozent über dem des Vorjahres (45.300). Die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten stieg von 6.400 (1996) auf 7.600 an. 85 Prozent sind zwischen 16 und 24 Jahre alt. Die Republikaner und die NPD konnten ihre Mitgliederzahl um 500 und 800 Personen steigern. Die DVU, die besonders Ressentiments gegen Ausländer und Juden sowie Repräsentanten des Staates schürt, hat etwa 15.000 Mitglieder. 1997 gab es 109 (108) rechtsextremistische Organisationen.

Die größte Gruppe der gewaltbereiten Rechtsextremisten stellen die Skinheads. In den rechtsextremistischen Parteien sind 34.800 Personen organisiert (33.500). Die Zahl der Neonazis ist auf 2.400 marginal (2.420) zurückgegangen. Es konnten 40 Gruppen (48) mit einem gewissen Grad an Organisationsstruktur festgestellt werden. Die Verbreitung von Propagandamitteln, die 88 Prozent aller rechtsextremistischen Straftaten ausmachten, sei um 41,8 Prozent gestiegen.