Grüne: Trittins Image hat gelitten

Der grüne Vorstandssprecher Jürgen Trittin muß jetzt um einen Listenplatz für die Bundestagswahl kämpfen. Manche Parteimitglieder machen ihn für das schlechte Erscheinungsbild der Grünen verantwortlich  ■ Von Bettina Gaus

Bonn (taz) – Interviews gibt Jürgen Trittin in diesen Tagen nur selten. Vor allem zu einem Thema will der Vorstandssprecher der Bündnisgrünen unter keinen Umständen befragt werden: Wie er denn seine Chancen auf einen ehrenvollen Listenplatz für ein Bundestagsmandat einschätzt. „Dazu sage ich gar nichts. Null. Keine Äußerung von mir zur niedersächsischen Landesliste.“

Am Wochenende wird in Hameln die Landesdelegiertenkonferenz entscheiden, wer für die als sicher geltenden ersten vier Listenplätze nominiert wird. Wegen der Frauenquote kandidiert der Parteilinke Jürgen Trittin erst auf Platz zwei – aber da ist er nicht alleine. Auch der Bundestagsabgeordnete Helmut Lippelt, der zum Realo-Lager gehört, und sein Fraktionskollege Manuel Kiper, letztes Mal auf Platz vier, treten an.

Noch bis vor wenigen Wochen hielten viele Beobachter einen Sieg von Jürgen Trittin für gesichert. Seit dem Magdeburger Parteitag aber mehren sich Hinweise, daß die Zahl derer wächst, die den Parteivorsitzenden für das schlechte Erscheinungsbild der Grünen mitverantwortlich machen und ihm einen Denkzettel verpassen wollen.

Das sorgt nun strömungsübergreifend für Nervosität. „Ich halte nichts von solchen Abstraf-Aktionen“, erklärt Trittins Sprecherkollegin Gunda Röstel. Ähnlich hat sich bereits der parlamentarische Geschäftsführer im Bundestag, Werner Schulz, geäußert, der gemeinhin nicht gerade als Verbündeter des Vorstandssprechers gilt. Leute, die jahrelang für die Partei gearbeitet hätten, dürften nicht „abgemeiert“ werden. Jürgen Trittin sei auch einer, „der auf Integration hingearbeitet habe“.

Die Solidaritätsbekundungen zeugen von Besorgnis. In der Partei wird für möglich gehalten, daß Trittin bei einer Niederlage im Kampf um den zweiten Platz für keinen weiteren mehr kandidieren wird und möglicherweise sogar als Vorstandssprecher zurücktritt.

Gunda Röstel hätte dafür Verständnis. Durch eine Abstimmungsniederlage wäre er „beschädigt, in erheblicher Weise“. Sie wolle ihrem Kollegen keinen Rat geben, meint sie. Sie könne nur ihre persönliche Meinung sagen: „Ich würde nicht wieder antreten, das ist ganz klar.“ Könnte Jürgen Trittin sich denn im Herbst erneut zum Vorstandssprecher wählen lassen? „Ich würde beides nicht mehr machen.“

Trittins Vorgänger Ludger Volmer ging kürzlich sogar noch weiter. „Dann würde ich an seiner Stelle die Brocken hinschmeißen“, sagte er für den Fall, daß der Vorstandssprecher nicht auf Platz zwei landet.

Derzeit ist Trittin gerade mit der Formulierung des Kurzprogramms beschäftigt. Das will der Länderrat im Juni verabschieden, um das angeschlagene Image der Partei aufzupolieren. Bei einem Rücktritt des Vorstandssprechers vier Monate vor den Wahlen wäre das wohl vergebene Liebesmüh' – die Grünen hätten es mit internen Problemen wieder einmal bis in die Schlagzeilen geschafft.

Helmut Lippelt gilt als Trittins gefährlichster Rivale. Er meint, er könne die ganze Aufregung nicht so recht verstehen: „Ich tue doch nichts weiter, als auf dem Platz zu kandidieren, auf dem ich vorher schon gestanden habe. Wer tritt denn da gegen wen an?“

Möglicherweise hätte das Problem vermieden werden können, wenn Spitzenpolitiker der Partei ein bißchen bessere Umgangsformen und etwas mehr Herzenstakt an den Tag gelegt hätten. Weder Fraktionschef Joschka Fischer noch Trittin selbst hätten je mit ihm über das Thema gesprochen, bestätigt Lippelt. Offenbar war als selbstverständlich vorausgesetzt worden, daß er seinen alten Listenplatz räumt, wenn der Vorstandssprecher darauf Anspruch erhebt. Der Versuch, den Mitbegründer der Grünen mit Hinweis auf übergeordnete Parteiinteressen zum Verzicht zu bewegen, wurde nicht einmal unternommen. „Ich werde schon ganz gern gefragt“, räumt Helmut Lippelt ein.